Audi RS3 – Mit offenen Karten

Die neue Philosophie in der Schmiede von Audi Sport ist das Spiel mit offenen Karten, hier am Beispiel des Audi RS3. Statt Leistungstarnung, wie etwa in der letzten Dekade gezeigt, gehen die Neuen extrovertiert ins Rennen. Spätestens wenn am Audi RS3 der Luftausströmer der Bremsenkühlung aus dem vorderen Kotflügel blitzt, ist klar, Neckarsulm hat ihn geschärft – mit offenen Karten. Der Breitbau ermöglicht eine größere Spurweite, die der 1.645 Kilogramm schwere RS3 Sportback zum Arbeiten gut gebrauchen kann.

Innen herrscht für Nutzer von Tasten an Lenkrad und Klimatisierung heimelige Atmosphäre. Nur dass Audi das Design im Schnitt schärfer anbietet. Und durch Kontrastfarben und Materialien Berührungspunkte mit der RS-Markenphilosophie schafft. Auch die Sitze sprechen eine andere Sprache. Mit Seitenhalt, Stabilität und Verarbeitung. Sie sind das traditionellste Element, das Kenner im neuen RS3 wiederfinden. Das Armaturenbrett ist weiter klar als Audi-Design zu erkennen, strahlt aber mehr Dynamik aus. Die Verarbeitung insgesamt hat im Freistaat Bayern derzeit keine Konkurrenz.

Der Fünfzylinder-Turbo im Audi RS 3

Fünfzylinder-Turbo

Unter der Haube spielt Audi Sport mit seinem mehrfach preisgekrönten Fünfzylinder-Turbo ein Lied, das Autofans bei der derzeitigen Politik schon verhallen hören. Sich wie Walter Röhrl fühlen, das geht im RS3 noch immer. Ab einer Drehzahl von 3.500 Umdrehungen spult der Turbolader langsam zur Höchstleistung auf. Und liefert klassischen Turbo-Punch mit schier unendlicher Drehfreude. Im Vergleich zum Vormodell kann der Neue schon ab 5.600 U/min die maximale Leistung bereit stellen. Dafür steigt das maximale Drehmoment um 20 Newtonmeter, baut sich aber erst später auf. Kurz: Die Abstimmung ist etwas anders.

Nach runden 3,9 Sekunden erreichen wir im RS3 Tempo 100 km/h (Werksangabe: 3,8 s). Wer die Leistung voll abruft, beschleunigt im Serienzustand bis auf abgeregelte 250 km/h. Im Testwagen waren alle Leinen gelöst (aufpreispflichtig), so lag die Höchstgeschwindigkeit oberhalb der 280 kmh. Laut Audi Sport sind bis zu 290 km/h möglich.

Wie viel RS?

Diese Leistungsdaten sind es, lassen die Frage aufkommen, wie viel RS eigentlich sein muss. Subjektiv erzeugt kein RS-Modell mehr Eindruck bei den Insassen. Optimal ist er für diejenigen, die ein standesgemäßes Autobahnkatapult suchen. Für einen waschechten Sportwagen bevormundet das Torque-Split-System – verteilt bis zu 100 Prozent der Kraft auf ein Rad – zu sehr. Auch der Neue bleibt damit eher stabil. Bei 400 PS auf 2,63 Meter Radstand vielleicht auch besser.

Als reine Kurvenräuber bieten die Hecktriebler auch weiterhin mehr Aufregung für den Fahrer. Der Vorteil des RS3 liegt im Gegenzug in der hohen Fahrsicherheit bei gleichzeitig enormen Fahrleistungen. Wer die Assistenzsysteme ausschaltet, findet hinter dem doppelten Boden ein mehr als gutmütiges Auto für den Trackday oder die Touristenfahrt. Und für den Donut auf dem Parkplatz gibt es nun sogar ein Extra-Programm namens „Torque Rear“. Das ist in ähnlicher Form im VW Golf 8 R zu finden.

Die Sitze im RS3 überzeugen mit Seitenhalt, Stabilität und Verarbeitung

Fahrspaß mit dynamischer Kraftverteilung

Auf der Straße hat der RS3 ohnehin mehr Richtungen als nur die Längsachse zu bieten. 59 Prozent des Gewichts lagern vorne. Durch eine dynamische Kraftverteilung und eine heckbetontere Abstimmung aber machen Lastwechsel viel mehr Spaß. Das Fahrwerk bügelt Unebenheiten weg. Zackige Lastwechsel sind für den Sportler aus Ingolstadt kein Problem mehr. Gefühlt sitzt die Drehachse nämlich viel weiter hinten als noch beim Vorgänger. Während des Praxistests lagen als Resultat auf unpräpariertem Teer knappe 1,2 G in einer engen Rechtskurve an.

War beim Vorgänger noch der bissige Druckpunkt am Bremspedal ein Ärgernis, gibt der RS3 seinem Fahrer nun ein breiteres Fenster. Und dennoch eine starke Bremswirkung, die vom Bordinstrument auf ebener Fläche mit 1,15 G festgehalten wird. Nicht anders verhält sich der Fünfzylinder, wenn er seine vollen 400 PS in den Antriebsstrang trommelt. Dank blitzschnellen Schaltvorgängen und dynamischer Drehmomentverteilung sind auch an der Hinterachse für die Längsachse über 0.9 G ablesbar. Der kompakte Audi RS3 bietet also die Art von Brutalität, die seine Zielgruppe sucht,auch hier ein Spiel mit offenen Karten.

Genügsam?

Trotz des Feuerwerks unter der Haube gibt sich der Neue genügsam. Er kann schon mit 8,5 Litern zufriedengestellt werden, ohne dass man sich dafür zu stark verbiegen muss. Wer den RS3 häufig auf die Landstraße oder die schnell gefahrene Autobahn ausführt, kommt dadurch im Schnitt mit zwölf Litern klar. Das Drehmoment reicht selbst im tiefsten Drehzahlkeller noch aus, um Otto-Normal-Fahrzeuge ins Schwitzen zu bringen. Im Stop-and-Go aber nerven die schier endlos langen Schaltvorgänge. Bei der kräftigen Kupplung sind niedrige Drehzahlen nämlich mit einem längeren Schleifpunkt verbunden. So richtig verstecken kann er seine Kraft einfach nicht.

Fazit: Das neue Außenkleid, die verbesserten Fahreigenschaften und der weiterhin eindrucksstarke Fünfzylinder sind das Rezept für Fahrspaß. Audi Sport hat bewiesen, dass spektakuläre Außenkleider auch auf große innere Werte schließen lassen. Dem RS3 ist das so gut gelungen, dass er sich vom getarnten Kraftmeier zum dezenten Traumwagen wandelt.

dg/cen, Fotos: Autoren-Union Mobilität/Dennis Gauert

Daten Audi RS3

Länge/Breite/Höhe (m): 4,39/1,85/1,44

Radstand (m): 2,63

Antrieb: R5-Benziner, Turbo, 2.480 ccm,

Allrad, Torque Split, 7-Gang-S-Tronic

Leistung: 294 kW/400 PS bei 5.600–7.000 U/min

Drehmoment: 500 Nm bei 2.250–5.600 U/min

V-max: 250 (290) km/h

0-100 km/h: 3,8 s

Normverbrauch (WLTP): 8,8 Liter

Testverbrauch: 12 Liter

Tankgröße: 55 Liter

CO2-Emission: 190–201 g/km

Leergewicht/Zuladung: min. 1.645 kg/max. 430 kg

Kofferraumvolumen: 282–1.120 Liter

Preis: 101.033 Euro