Auto-Männer des Jahres 2018
2018 war das Jahr der autofeindlichen Drohungen, 2019 wird das Jahr entscheidender Weichenstellungen. Es gab schöne Neuvorstellungen – wie den oben abgebildeten Genesis Essentia – und wir haben zehn Manager, Forscher und Designer ausgewählt, über die in der Branche vergangenes Jahr gesprochen wurde – und die uns weiter beschäftigen werden.
Manfred Bergmann
Im April 2018 starb mit Manfred Bergmann einer der bedeutendsten Entwickler und Forscher der Autoindustrie in der DDR. Nach der Wende und bis kurz vor seinem Tod engagierte sich Bergmann im VDI, und er war regelmäßiger Gast und Gesprächspartner bei den wichtigsten Kolloquien und Symposien.
In einem langen Interview für die Zeitschrift “Automobil Industrie” berichtete Bergmann vor wenigen Jahren über die Geschichte der Automobiltechnik in Dresden. Schon Mitte der 50er-Jahre wurde dort über Assistenzsysteme diskutiert, und auch die DDR-Fahrzeugentwicklung war durchaus produktiv. So war der Trabant eigentlich nur für eine Bauzeit von wenigen Jahren gedacht, Nachfolgemuster standen frühzeitig bereit. In den 70er-Jahren arbeitete man an der Diesel-Direkteinspritzung, in der 80ern stand die Common-Rail-Technik im Fokus. Bergmann mußte in der DDR erleben, wie ein vielversprechendes Projekt nach dem anderen durch staatliche Vorgaben gekippt wurde. In Bezug auf die heutige Entwicklung erkannte Bergmann mit Sorge: “Wir erleben die politische Forderung nach einem perpetuum mobile.”
Johan De Nysschen
Wenn es eines Beweises bedurfte, daß man als Seiteneinsteiger bei General Motors nichts zu lachen hat, dann lieferte ihn im vergangenen April die Demission von Cadillac-Chef Johan De Nysschen. GM-Chefin Mary Barra biß den lästigen Querdenker weg; als Vorwand diente ein Ereignis, mit dem De Nysschen nicht das geringste zu tun hatte.
Jetzt wird Cadillac im Rekordtempo zurechtgestutzt: Die sportliche V-Serie bekommt keine adäquaten Nachfolger, das Diesel-Programm ist zusammengestrichen, die geplante Nobellimousine Escala gestoppt – und der zukunftsweisende Service “Book by Cadillac” wird beendet. Demnächst folgt der Umzug von New York in einen verstaubten Vorort von Detroit. Die “car guys” bei GM werden De Nysschen noch vermissen.
Luc Donckerwolke
Nach einer steil nach oben weisenden Karriere als Designer im Volkswagen-Konzern, zuletzt als Chefdesigner von Bentley, wechselte Luc Donckerwolke 2016 zum Hyundai-Konzern, wo er unter Peter Schreyer zunächst das Design der Nobelmarke Genesis übernahm. Doch das war nur das Vorspiel: Im Herbst 2018 avancierte Donckerwolke als Nachfolger Schreyers zum Chefdesigner der gesamten Hyundai-Gruppe.
Donckerwolkes Handschrift findet sich in so unterschiedlichen Autos wie dem Audi A2, dem Lamborghini Murcielago oder dem aktuellen Bentley Continental GT. Bei Hyundai, Kia und Genesis kann er noch weitaus mehr erreichen. Wohin die Reise geht, zeigt nicht zuletzt die Fahrzeugstudie Genesis Essentia – eines der faszinierendsten Autos des vergangenen Jahres.
Ola Källenius
In ein paar Monaten wird Ola Källenius die Führung des Daimler-Konzerns übernehmen; schon jetzt leitet er als Nachfolger von Thomas Weber die Konzernentwicklung. Zu Källenius’ Erfolgen gehört die Einführung von Mercedes-Maybach als Sub-Marke und die Entwicklung der ersten Generation elektrischer EQ-Modelle. Als früherer AMG-Chef hat Källenius das sprichwörtliche Benzin im Blut.
Man darf gespannt sein, ob Daimler unter Källenius die klare Linie gegenüber den Autofeinden in Politik und Medien beibehält, die – bei aller Verbindlichkeit in der Form – für die Ära Zetsche prägend war. Technologisch ist Daimler für alle Szenarien vorbereitet. Und auch im Design: Niemand versteht die Konzernmarken so gut wie Chefdesigner Gorden Wagener.
Wolfgang Hatz
Bis zur Verhaftung von Audi-Chef Rupert Stadler war der Spitzenmanager Wolfgang Hatz das höchstrangige Opfer des beispiellosen Furors, mit dem die Münchner Staatsanwaltschaft sich der Aufarbeitung des “Dieselskandals” widmet. Der begeisterte Motorsport-Fan hat die Antriebsentwicklung unter anderem bei BMW, Fiat, Audi, Volkswagen und Porsche weit vorangebracht; unter seiner Ägide wurden eine Vielzahl sparsamer, effizienter und umweltfreundlicher Maschinen entwickelt und in Serie gebracht.
Im September 2017 wurde Hatz auf Geheiß der Justiz festgenommen. Er kam erst nach 9 Monaten frei – aus Zuständen, die man als unwürdig bezeichnen darf. Derzeit rüstet man sich in München für das Tribunal.
Sergio Marchionne
Er starb im Juli 2018 völlig unerwartet im Alter von nur 66 Jahren: Der Italo-Kanadier Sergio Marchionne, der 14 Jahre lang unangefochten den Fiat-Konzern geführt und entscheidende Weichenstellungen vorgenommen hat. Mit einer Mischung aus Können, Chuzpe und Glück ist es ihm nicht nur gelungen, GM im Rahmen einer geplatzten Fusion einen gewaltigen Betrag abzuluchsen, sondern auch, sich den amerikanischen Chrysler-Konzern zum Sonderpreis einzuverleiben. Die Zentrale von Fiat-Chrysler sitzt überraschenderweise in Holland.
Ein Traditionsbruch folgte auf den anderen: Lancia wurde mit umetikettierten Chrysler-Modellen beglückt, die Marke anschließend außerhalb Italiens eingestellt. Die Kernmarke Fiat setzt auf zugekaufte oder hochbetagte Plattformen, mit retrofuturistischen Gestaltungselementen aufgehübscht. Fiat- und Alfa-Ersatzteile heißen jetzt “Mopar”. In den USA hat übrigens wohl niemand so vom Wahlsieg Donald Trumps profitiert wie der sparsam investierende Fiat-Chrysler-Konzern: Die Pritschenwagen der Marke Ram und die Jeep-Geländewagen spülen zuverlässig Geld in die Kasse, der Dodge Challenger hatte gerade sein erfolgreichstes Jahr überhaupt. Wie gut Fiat-Chrysler für die Zukunft gerüstet ist, bleibt offen. Doch Marchionne hat es geschafft, das Unternehmen bis heute liquide zu halten.
Elon Musk
Er führt eines der unterhaltsamsten Twitter-Konten überhaupt: Tesla-Lenker und Milliardär Elon Musk. Neben der Automarke Tesla leitet er das Raumfahrt-Unternehmen SpaceX und die Boring Company, mit der er ein neues Verkehrssystem entwickelt: Der Untergrund moderner Metropolen soll untertunnelt werden, Privatautos in Röhren mit bis zu 250 km/h an ihr Ziel eilen. Noch ambitionierter ist der “Hyperloop”: In ihm sollen Menschen über hunderte von Kilometern im Vakuum befördert werden. Markus Söder hat bereits Interesse angemeldet. Musk will auch einen Raketenverkehr zwischen den USA und China einrichten. Nebenbei arbeitet er daran, den Planeten Mars zu kolonisieren – falls die Menschheit “die Erde zerstört”.
Sein ambitioniertestes Projekt überhaupt ist jedoch ein Auto: Der Model 3, ein kompaktes Elektroauto, mit dem seit 2016 stolze 400 000 kostenpflichtige Vorbestellungen eingesammelt wurden, von denen andererseits eine beträchtliche Zahl wieder storniert wurde. Der Produktionsanlauf geriet zum Alptraum, weil Musk der futuristischen Vision einer vollautomatisierten, sich selbst vervielfältigenden Fabrik nachging. Zuletzt wurde hastig zurückgerudert und eine dritte Fertigungsstraße in Rekordzeit aufgebaut – unter einem Zelt. Die bislang ausgelieferten Modelle zeichnen sich – wenig überraschend – durch bestürzend schlechte Qualität aus. All diese Ereignisse wurden auf Musks Twitter-Konto reflektiert, auf dem er außerdem einen in Thailand aktiven Rettungstaucher der Pädophilie bezichtigte, den unmittelbar bevorstehenden Produktionsstart selbstentwickelter Autotransporter ankündigte, über den Konsum kontrollierter Substanzen sinnierte und ohne Grundlage behauptete, er könne Tesla zu einem Preis von 420 Dollar pro Aktie vom Markt nehmen.
Jürgen Resch
Er ist zum Feindbild vieler Autofahrer avanciert, und so mancher bürgerliche Politiker distanziert sich plötzlich lautstark von ihm. Dabei hat er doch alles richtig gemacht: Die Rede ist von Jürgen Resch, dem Vorsitzenden der “Deutschen Umwelthilfe”. Der Name des Vereins klingt schön offiziell, das Gebaren ist zwielichtig. Man lebt nicht zuletzt von Abmahnungen, mit denen vor allem Mittelständler überzogen werden: Reschs Mannen durchforsten Netz und Druckerzeugnisse, um akribisch zu prüfen, ob die angeblich dem “Verbraucherschutz” dienenden Angaben buchstaben- und millimetergetreu umgesetzt sind.
Doch man läßt sich auch von der Politik finanzieren: Behörden und Ministerien überhäufen die “Umwelthilfe” seit Jahren mit bestens dotierten Aufträgen. Damit wollte man ein “Gegengewicht” zur Autobranche schaffen. Jetzt überzieht Resch Städte und Behörden mit Klagen, um Fahrverbote durchzusetzen – und die Justiz macht mit, ohne auf Verhältnismäßigkeit oder auch falsche Meßorte Rücksicht zu nehmen. Den Gegenwind, der ihm jetzt aus der Politik entgegenschlägt, dürfte Resch als heiße Luft werten. Schließlich liefert er wie bestellt.
Ralf Speth
Nachdem Jaguar und Land Rover vom amerikanischen Ford-Konzern an die indische Tata-Gruppe gingen, hätte wohl kaum jemand erwartet, welchen Aufschwung die Traditionsmarken nehmen würden. Doch die Führungsmannschaft unter dem früheren BMW-Manager Ralf Speth hat es geschafft, eine extrem wettbewerbsfähige Produktpalette aufzubauen.
Heute bedienen Jaguar und Land Rover eine wachsende Zahl von Segmenten – und mit dem Jaguar I-Pace wurde eines der überzeugendsten Elektroautos überhaupt auf die Räder gestellt: Ende November wurde der Crossover von einer Jury von Fachjournalisten zum Deutschen Auto des Jahres (GCOTY) gewählt. Aktuell macht den Briten die schwache Dieselnachfrage zu schaffen. Dennoch gilt: Unter der Führung von Ralf Speth sind Jaguar und Land Rover zu unerreichter Blüte gelangt.
Rupert Stadler
Längst ist der Dieselskandal in den USA geregelt, noch immer steckte Wolfgang Hatz im Gefängnis, da schlug die für bisweilen erstaunliche Rechtsauffassungen bekannte Staatsanwaltschaft München erneut zu: Aus dem Amt heraus wurde Audi-Chef Rupert Stadler, der die Firma seit 2007 Jahre lang geführt und glänzende Erfolge gefeiert hat, festgenommen und weggesperrt. Der Akt ist eine beispiellose Beschädigung des Unternehmens und der Branche.
Zuvor hatte man Stadler abgehört, seine Wohnung durchschnüffelt – und ihn schließlich, weil er am Telefon hypothetisch äußerte, dass ein ihm unbekannter Informant freigestellt gehöre – wegen “Verdunkelungsgefahr” ins Gefängnis gesperrt. Nach mehr als 5 Monaten kam er erst einmal frei. Man darf sich auf einen Schauprozess einstellen. Egal was dabei herauskommt: Die Verdienste Stadlers für die Marke Audi und den Standort Bayern werden die Justiz-Show überdauern. (ampnet/jm/GTSpirit)