BMW 2er Gran Tourer
Familie haben und trotzdem nicht auf Freude am Fahren verzichten: So oder so ähnlich definiert BMW den Bedarf für seinen neuen 2er Gran Tourer und meint damit nicht jene privilegierten Zeitgenossen, deren Haushalts-Budget noch die Anschaffung eines zusätzlichen Sportcoupés erlaubt. Der kompakte Van unter weiß-blauer Flagge soll das Universal-Auto sein – auch und gerade dann, wenn man zwei oder mehr Kinder hat.
Kann das funktionieren? Offenbar ja, denn als Vorbild ist der VW Touran anzusehen, der inzwischen immerhin mehr als 1.9 Millionen Mal verkauft wurde und sich konstanter Beliebtheit erfreut. BMW reklamiert für sein neuestes Modell allerdings einen Sonderstatus: Sieben Sitze im Premium-Segment seien einzigartig, heißt es selbstbewusst. Mag man so sehen, auch wenn andere Hersteller bekannter Maßen ebenfalls gute Qualität liefern können.
Von dem Vorjahr vorgestellten Active Tourer unterscheiden den Gan Tourer genau 21 Zentimeter mehr Außenlänge. Dank gleicher Proportionen sehen die beiden wie Zwillinge aus, doch das täuscht. Der Gran Tourer hat nicht nur mehr Radstand als der ältere Bruder, sondern ist auch noch rund fünf Zentimeter höher. Dieser Zuwachs wurde gebraucht, um für die Passagiere der dritten Sitzreihe ausreichend Kopffreiheit zu schaffen. Unter ihren Polstern muss nämlich nicht nur die Mehrlenker-Hinterachse, sondern auch die Technik für den Allradantrieb Platz finden.
Die angetriebene Hinterachse wird zum Verkaufsstart im Modell 220d angeboten. Bei der Kombination sieben Sitze plus 4×4-Antrieb ist der Gran Tourer tatsächlich konkurrenzlos. Das Glück der Straße sollen Familien, aber auch Freizeitsportler finden, deren Hobby eine umfangreiche Ausrüstung erfordert. Der Zugewinn an Fahrzeuglänge würde deshalb auf Radstand (+ elf Zentimeter) und hinteren Überhang (+10,4 cm) verteilt. Damit erreicht die fünfsitzige Version des Gran Tourers ein Kofferraumvolumen von mindestens 645 Litern und bietet damit das größte Gepäckabteil in der gesamten BMW-Modellpalette. Legt man die zweite Sitzreihe um, was bequem per Tastendruck von der Hecktür aus möglich ist, werden annähernd 1.900 Liter daraus.
Der Wert eines Vans – auch wenn man ihn Gran Tourer nennt – bemisst sich an der Funktionalität. Verstaufächer und Ablagen werden zu einem wichtigen Unterscheidungs- und manchmal auch Entscheidungs-Merkmal. Die dritte Sitzreihe ist leicht zu handhaben und verschwindet bündig im Ladeboden, wenn man sie nicht braucht. Auch wenn BMW von „Stolz auf die dritte Sitzreihe“ spricht, muss man ehrlicher Weise zur Kenntnis nehmen, das Erwachsene auf langen Strecken dort nicht gut aufgehoben sind. Als „5+2-Sitzer“ mit Transportkapazität für sechs Kinder oder Jugendliche ist der Gran Tourer allerdings kaum zu schlagen. Hilfreich dabei ist nicht zuletzt die verschiebbare zweite Sitzreihe, die allein 130 Millimeter Verstellfeld bietet.
Rings um die Sitze sind zahlreiche Fächer und Ablagen angeordnet, die in der Summe rund 40 Liter Volumen für all die Utensilien bieten, die Reisende so mit sich führen. Optik und Haptik im Innenraum bieten das gewohnt hohe BMW-Niveau. Zusätzlich zum bekannten Infotainment-Angebot kann im Gran Tourer ein Connected-Drive-Service installiert werden.
Unter idealen Bedingungen reichen die 61 Liter Kraftstoff im 220d für mehr als 1.200 Kilometer. Zum Start besteht eine Auswahl von drei Benzin- und fünf Dieselmodellen. Einstiegsmodell ist der 216i mit Drei-Zylinder-Motor und 100 PS. Kleinster Diesel ist ebenfalls ein Dreizylinder mit 95 PS. Das Modell 220i hat vier Zylinder und 192 PS, der stärkste Diesel (220d) leistet 192 PS. Er ist zunächst auch als alleinige Allrad-Version im Programm, später soll noch ein 4×4-Benziner nachgeschoben werden.
Die Probefahrten in den Versionen 220i und 220d xDrive verliefen frei von Überraschungen. Beherzter Antritt drehmomentstarke Motoren (280 Nm im Benziner und 400 Nm im Diesel) vermitteln ein temperamentvolles Fahrerlebnis. Übersichtlichkeit, eine direkte Lenkung und guter Geräuschkomfort sorgen für ein unkompliziertes und entspanntes Reisegefühl. Die 70 Kilogramm Mehrgewicht gegenüber dem Active Tourer bleiben unauffällig. Abweichend von den Herstellerangaben zum Durchschnittsverbrauch von 6.2 Litern (220i Handschaltung) und 4.9 Litern (220d xDrive) wiesen die Bordcomputer einen Praxiszuschlag zwischen 1,3 und 1,6 Litern aus, was ebenfalls im erwarteten Bereich lag. BMW geht davon aus, dass fast die Hälfte der gebauten Gran Tourer in Europa bleiben. Der Versuch, Amerikaner für einen aus deren Sicht kleinen Van zu interessieren, soll unterbleiben, in Asien rechnet man sich aber gute Chancen aus.
Axel F. Busse/amp