BMW 3er
Wenn der neue 3er BMW jetzt auf den Markt kommt, ist das aus Sicht seiner Vertriebsmanager sicher keinen Augenblick zu früh. Dem globalen Marktführer im Premium-Segment kann es nicht schmecken, dass die Mittelklasse-Limousine in ihrem Heimatland nur noch den dritten Platz in der Zulassungsstatistik belegt. Nur mit vorsichtigen Retuschen, aber neuen Motoren soll der Absatz auch hierzulande wieder Fahrt gewinnen.
Weltweit gesehen ist der 3er selbst 40 Jahre nach seiner Markteinführung das wichtigste Modell von BMW geblieben. Rund ein Viertel des Gesamtabsatzes der Marke geht auf das Konto der Limousine und das des Touring. Bis zur Teilung der Baureihe in eine viertürige (3er) und eine zweitürige Variante (4er) trug das Coupé noch einen erheblichen Teil zur Gesamtstückzahl von mehr als 14 Millionen Exemplaren bei. Projektleiter Dr. Stephan Neugebauer sieht im Dreier gar den „Maßstab in seiner Klasse“.
Die nun zart gelifetete sechste Generation wird die erste sein, bei der ein Modell mit weniger als vier Zylindern zu haben ist. Das 1,5 Liter große Einsteiger-Triebwerk der aktuellen Motorenfamilie wird das Modell 318i antreiben und dabei 100 kW / 136 PS an die Kurbelwelle weiterleiten. Die Kunden dieser Variante müssen sich nicht nur von einem Zylinder verabschieden, sondern auch von der Vorstellung, ein 3er-BMW wäre für weniger als 30 000 Euro zu haben. Genau 200 Euro oberhalb dieser Schwelle liegt der Einstiegspreis. Als Sparmeister ist die Version 316d mit dem Vier-Zylinder-Diesel vorgesehen, die nach EU-Norm erstmals unter 100 Gramm Kohlendioxid je Kilometer emittiert und so auf einen Verbrauchsschnitt von 3,9 Litern je 100 Kilometer kommt.
Der geneigten Kundschaft wird es nicht leicht gemacht, den neuen 3er auf der Straße zu erkennen. Beherzte Griffe ins Blech sucht man vergebens, neue Presswerkzeuge kosten schließlich viel Geld und noch sieht der 3er ja zeitgemäß und schnittig aus. Sich Scheinwerfer in LED-Technik zu bestellen, wäre eine Möglichkeit, sein Auto als topaktuell zu erkennen zu geben, doppelflutige Endrohren sind ein weiteres Identifikations-Merkmal. Mit neuen Materialien und verbesserter Ergonomie, sagt BMW, seien im Innenraum Optik und Haptik auf noch höheres Niveau gehoben worden. Man wähnt sich, so der Testfahrer, im Nu am rechten Platz, findet das, was man zum Fahren und Wohlfühlen braucht, auf Anhieb. Die neu gestaltete Mittelkonsole mit verschiebbarer Abdeckung über den Cupholdern soll eine bessere Nutzung der Ablageflächen ermöglichen und die Ergonomie der Innennarchitektur verbessern. Eine große Palette Individualisierungsmöglichkeiten bei Polstern und Interieurdekors sowie neue Räder, Außenfarben und Ausstattungsoptionen runden das Angebot des neuen BMW 3er ab.
Der Dreizylinder im Dreier ist beileibe nicht die einzige Motoren-Innovation. Vielmehr feiern auch die Vier- und Sechs-Zylinder-Motoren der neuen Generation im 3er Weltpemiere und das mit einem enormen Leistungsangebot. Auf der Basis von zwei Litern Hubraum können die Kunden für Ottomotoren zwischen 135 kW / 184 PS und 185 kW / 252 PS wählen. Das Top-Aggregat ist der Sechszylinder im 340i, der aus drei Litern Hubraum 240 kW / 326 PS holt. Auch wenn es sicher nicht das meistverkaufte Modell der Baureihe sein wird, so hat es doch das Potenzial für den größten Spaßbringer, wie die Testfahrt durchs Voralpenland bewies.
Energisch in der Kraftentfaltung, dabei akustisch erstaunlich zurückhaltend, ließ der Wagen Wünsche nach Fahrspaß und agiler Kurvendynamik nicht unerfüllt. Für die geringe Geräuschentwicklung ist die neu entwickelte motornahe Kapselung verantwortlich. Sie wurde aber nicht primär zur Schonung des Gehörs von Passanten entwickelt, sondern um Motorwärme auch nach dem Abschalten zu konservieren. Ein Motor mit Restwärme, so das Ziel, kommt schneller auf Betriebstemperatur, arbeitet effizienter und erwärmt, wenn nötig, auch den Fahrgastraum schneller.
Um den Ziel, die agilste Limousine der Premium-Mittelklasse zu bleiben, näher zu kommen, nahmen sich die BMW-Ingenieure das Fahrwerk vor. Eine steifere Abstimmung in Verbindung mit weiterentwickelter Dämpfertechnologie mindern die Wankneigung beim Slalomversuch, stabilerer Geradeauslauf und verfeinertes Kurvenhandling sind zusätzliche Effekte. Laut BMW wurde auch die Lenkabstimmung nochmals überarbeitet.
Freilich hat dies seinen Preis, denn unter 45 950 Euro ist beim 340i gar nichts zu machen. Einen anderen Kostenfaktor kann man mit dem rechten Fuß beeinflussen: Zwar werden die 6,8 Liter/100 Kilometer (mit Steptronic-Getriebe), die im Datenblatt stehen, wohl in der Praxis selten erreicht, doch auch mit acht Litern wäre eine 326-PS-Limousine immer noch recht wirtschaftlich.
Welche Vorstellung andere Motorvarianten geben, muss späteren Tests vorbehalten bleiben, denn zum Beispiel die für den europäischen Markt wichtigen Dieselmodelle bleiben bei der Pressepräsentation in der Garage. Das ist insofern bedauerlich, als zum Beispiel in Deutschland im gerade zu Ende gegangenen ersten Halbjahr fast 88 Prozent der 3er-BMW mit einem Dieselmotor verkauft wurden. Die Sympathien der Deutschen sind also klar verteilt. Das gilt auch für die Karosserieform: Sieben von zehn einheimischen Kunden wählen ein Touring-Modell.
Rechnet man die Limousinen- und Touringmodelle, die benzin- und dieselmotorisierten sowie die heck- und allradgetriebenen zusammen, kommt man auf 34 verschiedene Optionen. Die 35. wird die technisch anspruchsvollste: Das für nächstes Jahr vorgesehene Modell 330e kann als Plug-in-Hybrid auch an der Steckdose tanken. Das Auto soll von null auf Hundert in weniger als sechseinhalb Sekunden sprinten, aber auch 35 Kilometer emissionsfrei zurücklegen können.
Axel F. Busse/amp