Der nächste Schritt der E-Mobilität
Sie sind Schlüsselrohstoffe für die Technologien von morgen: Seltene Erden stecken in modernen Elektromotoren, Windkraftgeneratoren, Smartphones und Energiesparlampen. Eine nachhaltige und vernetzte Zukunft scheint ohne sie nicht denkbar, auch nicht für die Automobilindustrie. Seit fünf Jahren arbeiten deshalb acht Fraunhofer-Institute gemeinsam am Projekt „Kritikalität Seltener Erden“ mit dem Ziel, sie sparsamer zu nutzen und Ersatzmaterialien zu suchen. Das gilt vor allem für die Elemente Dysprosium und Neodym. Diese werden beispielsweise für Magnete benötigt, wie sie etwa Elektromotoren brauchen. Inzwischen sind die Ergebnisse der Forschungen marktreif.
Auslöser für die Forschung war der Markt
Auslöser für das Projekt war ein Preisschock: China, wo rund 90 Prozent der Seltenen Erden für den Weltmarkt gefördert werden, verhängte 2013 einen Exportstopp, die Preise schnellten in die Höhe und die Verwundbarkeit der deutschen Industrie im Hinblick auf die Versorgungssicherheit mit diesen Rohstoffen wurde mehr als deutlich.
Seltene Erden sind für alle Autos wichtig
„Unser Ziel war, den Bedarf an Seltenen Erden zu halbieren. Das haben wir deutlich übertroffen, indem wir verschiedene technische Ansätze kombiniert haben“, sagt Professor Ralf B. Wehrspohn, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen (IMWS) in Halle an der Saale und Sprecher des Leitprojekts. „In einem durchschnittlichen Auto sind heute Dutzende Elektromotoren enthalten, die Fensterheber, Scheibenwischer oder Ölpumpe bewegen. Sehr viele dieser Motoren funktionieren mit Permanentmagneten, in denen Seltene Erden stecken. Durch immer neue Assistenzsysteme und nicht zuletzt durch den Trend zur Elektromobilität wird ihre Zahl künftig deutlich steigen. All das zeigt, wie wichtig ein effizienter Umgang mit diesen wertvollen Rohstoffen ist.“
Die Verfügbarkeit ist beschränkt
Deren Bezeichnung indessen führt in die Irre: Handelt es sich dabei doch weder um Erde, sondern um Metalle, und selten sind sie auch nicht. Nur ihre Verfügbarkeit ist regional stark beschränkt, und die Lagerstätten, wo sich ihr Abbau lohnt, befinden sich zu allem Überfluss entweder auf politisch unsicheren oder zumindest schwer zugänglichen Gebieten. Die größten Vorkommen gibt es in China, in der Inneren Mongolei, dann folgt Grönland. Bedeutende Lagerstätten sind außerdem in Australien, Kanada, Brasilien und in Malaysia zu finden – und auf dem Mond.
Die Verarbeitung soll effizienter werden
Die am Projekt beteiligten Institute analysierten zunächst die Rohstoffmärkte für Seltene Erden und entwickelten gleichzeitig Konzepte, wie bereits beim Design von Elektromotoren die spätere Wiederverwendung oder das Recycling von Seltenen Erden mitgedacht werden kann. Sie setzten außerdem bei den Herstellungsprozessen von Magneten an und fanden Lösungen, bei denen weniger Ausschuss entsteht.
In Zukunft soll recycelt werden
In einem weiteren Teilprojekt entstand ein Verfahren, Permanentmagnete aus Elektroschrott wiederverwerten zu können. Die recycelten Magnete erreichen 96 Prozent der Leistungsfähigkeit von neuen Magneten. Auch das Design von Elektromotoren wurde optimiert: Wenn sie im Betrieb nicht zu heiß werden, können Magnete mit geringerer Temperaturstabilität und damit mit geringerem Anteil einer Seltenen Erde eingesetzt werden. Nicht zuletzt wurden Materialien gesucht und gefunden, die ebenfalls als Magnete dienen können, aber gar keine Seltenen Erden enthalten. Die Forscherinnen und Forscher testeten dabei zahlreiche Materialkombinationen und neue Legierungen.
Reduktion auf ein Fünftel des heutigen Bedarfs
„Wir haben das Thema von der quantenphysikalischen Computersimulation von Magnetmaterialien über die endformnahe Fertigung von Magneten bis hin zur Rückgewinnung der eingesetzten Seltenerdmetalle nach der Nutzungsphase in den Blick genommen. Durch die auch im internationalen Maßstab einzigartige Breite und Tiefe der Kompetenzen haben wir sehr konkrete Fortschritte erzielt und weitere Ansatzpunkte für einen effizienteren Einsatz von Seltenen Erden und die Substitution identifiziert. Diese Ergebnisse wollen wir nun mit Unternehmen in den Markt bringen“, kündigt Professor Wehrspohn an. Er ist zu Recht stolz. Mit seinen und den Forschungen seiner Kolleginnen und Kollegen lässt sich der Bedarf an Seltenen Erden auf ein Fünftel der heutigen Menge senken. (ampnet/hrr)