Ferrari-Schreck Ford GT
Zwischen den beiden Autobauern liegen Welten. Nicht nur im geografischen Sinn. Hier der italienische Hersteller exklusiver Sportwagen, der im oberitalienischen Maranello pro Jahr eine überschaubare vierstellige Zahl von automobiler Pretiosen fertigt, dort der zweitgrößte amerikanische Hersteller von Massenfahrzeugen, der pro Jahr mehr als sechs Millionen Limousinen, Vans, Pick-ups und SUV auf die Straßen entlässt. Doch wenn Ford eine sportliche Vision mit dem magischen Kürzel „GT“ präsentiert, wie bei der jüngsten Ausgabe der „Detroit Motorshow“, dann lebt sie wieder auf, die Legende vom Ferrari-Schreck. Stahlblau, heiß, stark glänzte der absolute Star auf der jüngsten Automesse in Detroit auf dem Stand von Ford. Die Reinkarnation des GT sollte mehr als das Statement einer eindrucksvollen Studie abliefern. Der neue GT kommt 2016 auf die Straße. Nach zehn Jahren Pause will Ford mit einem neuen Supersportwagen den etablierten Spezialisten der Alten Welt zeigen, wo der Hammer hängt. Flügeltüren öffnen den Zugang zu einem aerodynamisch optimierten Traum aus Carbon. Die Rennschale für den Fahrer und das Lenkrad wecken Assoziationen mit der Formel 1.
In der Begeisterung für die stahlblaue Flunder mit ihren unverkennbaren formalen Zitaten des legendären Ford GT aus den Sechzigern ging das Bedauern über die Abwesenheit umfassender konkreter technischer Daten vollkommen unter. Nur so viel wollte Ford verraten: Für den Antrieb auf die 20 Zoll großen Hinterräder sorgt die ultimative Evolution des preisgekrönten V6-Ecotec-Motors, der in zahmen Varianten Jahr für Jahr Hunderttausende von Pick-ups, SUVs und Vans der Marke bewegt. Für den GT mobilisiert das aufgeladene Triebwerk 441 kW / 600 PS. Das soll für einen Spurt aus dem Stand auf Tempo 100 in weniger als drei Sekunden reichen und für eine Höchstgeschwindigkeit, die weit jenseits der Marke von 300 km/h liegt.
Und spätestens bei diesen Daten ist sie wieder lebendig, die Konkurrenzsituation zwischen Ford und Ferrari. Sie ist nunmehr 50 Jahre alt und ist dafür zuständig, dass Ford einen der atemberaubendsten Mythen der Autowelt überhaupt auf die Räder gestellt hat. In den frühen Sechzigern bildete mitnichten die Formel 1 den Nabel der Rennsportwelt, sondern die Sportwagenweltmeisterschaft mit den spektakulären „24 Stunden von Le Mans“ als Höhepunkt. Von 1960 bis 1964 hatte Ferrari den Marathon ohne Unterbrechung beherrscht. Doch das hätte als Herausforderung für Ford nicht gereicht, das sich zur Imagepolitur endlich im Spitzensport messen wollte. Es war eine persönliche Niederlage, die den damaligen Vorstandsvorsitzenden Henry Ford II. veranlasst hatte, eine unbegrenzte Summe für einen erfolgreichen „Ferrrari-Basher“ zu setzen. Um in der Alten Welt auch von gehobenen Kreisen akzeptiert zu werden, hatte Henry Ford Enzo Ferrari ein Kaufangebot unterbreitet, das kein vernünftig denkender Mensch ablehnen konnte.
Der schlitzohrige Commendatore, den zeitlebens nur die Rennaktivitäten seiner Marke wirklich interessiert hatten, in die jede Lira floss, die die Straßensportwagen erwirtschaftet hatten, hatte dem Kaufangebot zugestimmt. Mit der Einschränkung, weiter die Rennabteilung führen zu dürfen. Fords Reaktion auf diese Ränke war eine typisch amerikanische: „Wir wollen denen mal so richtig in den Hintern treten“, soll er ausgerufen haben.
Im Mai 1963 platzte der transatlantische Deal. Kurze Zeit später kursierte eine erste Skizze des amerikanischen „Ferrari-Schrecks“. In England etablierte sich ein Entwicklungsteam aus Spezialisten von Lola und Aston Martin. Gegen die filigranen Zwölfzylinder von Ferrari setzte Ford beim Motor des GT uramerikanische Werte: einen V8 mit viel Hubraum. Zwischen ursprünglich 4,7 und schließlich sieben Liter. Die Zahl 40 im Namen des GT 40 bezog sich auf die 40 Zoll Höhe. Das entsprach 102 Zentimetern. Bei 4,06 Meter Länge und 980 Kilo Leergewicht. Der Motor begann seine Rennkarriere mit 246 kW / 335 PS.
1966 war Ford am Ziel. Der GT 40 demütigte die Konkurrenz mit einem Dreifachsieg in Le Mans. Die Sportwagenweltmeisterschaft krönte den ersten ernsthaften Auftritt der Amerikaner im internationalen Motorsport im selben Jahr. 1967 und 1968 wiederholte Ford den Erfolg. Zwischen 1964 und 1968 entstanden insgesamt 134 Einheiten des GT 40. Als Renn- wie als Straßenfahrzeuge.
Zum 40. Geburtstag seiner Ikone entschloss sich Ford 2004 für eine Neuauflage des GT zu sorgen. Schließlich galt es 2003 auch den 100sten Geburtstag der Marke zu feiern. Obwohl 60 Zentimeter länger, schein das originale Design ohne geringste Abstriche Auferstehung zu feiern. Unter dem Retrodesign der Karosserie schlummerte jedoch modernste Technik. In Mittelmotorbauweise saß im Heck ein klassischer V8 mit 5,4 Liter Hubraum. Mit Hilfe eines Kompressors und Ladeluftkühlung mobilisierte das Triebwerk 404 kW / 550 PS. Damit spurtete der GT aus dem Stand in 3,9 Sekunden zur Marke von 100 km/h. Erst bei 330 km/h endete der Vortrieb. Damit ließ sich wieder praktisch jeder Ferrari der Zeit in die Schranken verweisen. Der neue GT diente weniger den sportlichen Meriten des Herstellers als vielmehr dem Image, denn insgesamt 4038 Exemplare der 1595 Kilo schweren Flunder fanden zwischen 2004 und September 2006 einen Abnehmer.
Gerade 101 Einheiten teilten die Verantwortlichen Europa zu. Deutsche Interessenten mussten für den Ford GT 177 000 Euro investieren.
Wie viel der neue Ford GT kostet, wenn er 2016 auf den Markt kommt, steht noch in den Sternen. Bernhard Mattes, Chef der deutschen Dependance von Ford, reihte sich nahtlos in die Reihe der Euphorisierten der Detroiter Messe ein. „Der GT darf nicht nur in Amerika bleiben, sondern wird auch bei uns zu haben sein.“ – Wie die Vorgänger selbstverständlich in kleinen Stückzahlen und richtig teuer. Schließlich geht es wieder gegen Ferrari. Inzwischen auch gegen Lamborghini oder McLaren. Noch mehr Feind, noch mehr Ehr`.