Ford Mustang neu
Er hatte seit fünf Jahrzehnten Platz in den Träumen vieler Jungen, genau zwischen dem eigenen Pony und dem Flug mit einem Eurofighter – der Ford Mustang, der einer ganzen Gattung amerikanischer Sportwagen den Namen gab: Pony Car. Als einziger seiner Art war der Mustang immer präsent. Nun, da der aktuelle Mustang nach Europa kommt, fällt seine Präsenz besonders ins Auge. Hat doch Ford seinen Auftritt bereits seit Monaten gekonnt in Szene gesetzt. Das Leben ist nun wieder ein Pony-Hof für die Gemeinde der Mustang-Bändiger und diejenigen, die es nun werden wollen.
Der Neue trägt alle Charakterzüge des Alten: lange Motorhaube, weit nach hinten versetztes Greenhouse, beim Fastback eine fließende Dachlinie, die im kurzen Heckstummel endet, beim Cabrio ein Stoffverdeck, das geschlossen an das kurze, aufgesetzte Blechdach alter Mustangs erinnert. Große Lufteinlässe in steilem Kühlergrill, markante Haube mit deutlichen Längssicken, massive Radhäuser, deutliche Seitenschweller und betont breite Schultern – so lässt sich heute fast jeder Sportwagen mit Frontmotor beschreiben, aber eben den Ford Mustang schon lange.
Seine Form spricht für den Willen seiner Designer, den Mustang auch in Zukunft unverwechselbar bleiben zu lassen. Tradition verpflichtet. Im Innenraum waren Pony Cars und eben auch der Mustang traditionell immer ein bisschen schlichter gehalten, was seine Freunde als Purismus lobten und andere ein wenig simpel fanden. Mit dieser Vergangenheit hat man bei Ford gebrochen, wenn auch ganz vorsichtig. Was man erlebt, ist ein sportliches Ambiente, das sogar den Anschein von Luxus erweckt, der allerdings durch die Materialwahl gedämpft wird. Was gut aussieht, kann auch Kunststoff sein. In Deutschland hat Ford bereits 1200 Kaufverträge gebunkert. Und weltweit läuft der Mustang so gut, dass alle, die sich jetzt nicht beeilen, mit mindestens acht Monaten Lieferzeit rechnen müssen.
Wir fuhren jetzt eines der wenigen Exemplare, die Europa schon erreicht haben: einen Ford Mustang 5.0 l Ti-VCT-V8, also den Klassiker, mit dem dicken Fünf-Liter-V8. Der schüttelt aus seinen acht Zylindern scheinbar mühelos seine 421 PS, als Sauger bei dem höheren Drehzahlniveau von 6.500 Umdrehungen pro Minute. Auch sein maximales Drehmoment von 530 Newtonmetern stellt sich erst bei höheren Drehzahlen – 4.250 U/min – ein. Wer Leistung und Moment immer spüren will, darf also gern und heftig mit der Sechs-Gang-Handschaltung spielen, um den Motor im Bereich der Bestwerte zu halten. Dazu liegt der kurze Knüppel genau richtig auf der Mittelkonsole, was niemanden zu schludriger Arbeit verleiten sollte. Bei unserem Exemplar war Exaktheit gefragt. Außerdem verlangten die Gänge fünf und sechs mehr Nachdruck als die anderen. Wem das nicht passt, der kann die Sechs-Gang-Wandlerautomatik wählen und sich in Europa damit als Weichei erkennen zu geben.
Das Lenkrad nimmt die Gestaltung alter Mustangs wieder auf, bei denen der dünne, große Kranz auf einer Art Trichter aus den Speichen ruht. Nur greift man hier nicht nach dem Bakelit-Lenkrad der Vergangenheit, sondern nach einem besonders kleinen Lederlenkrad mit einem dicken Kranz. Der liegt gut in der Hand, verdeckt aber weite Sektoren der beiden Rundinstrumente im Blickfeld des Fahrers. Mit der elektromechanischen Lenkung kommt nun auch hierfür eine Einstellmöglichkeit an Bord. Einer der vier verchromten Kippschalter am unteren Rand des Armaturenträgers gestattet die Einstellungen „Normal“, „Sport“ und „Komfort“. Bei der Stellung Sport kann es für den Fahrer schon einmal hektisch werden, weil die sowieso schon direkte Lenkung noch direkter agiert und den Geradeauslauf gern der beruhigenden Hand des Fahrers überlässt. Auch der Charakter des Mustangs lässt sich einstellen: „Normal“, „Sport plus“, „Schnee/Eis“ und „Gelände“ können gefordert werden, wobei die Herren von Ford versicherten, die Stellung Gelände sei die für die Rennstrecke. Das glauben wir Ihnen gern; denn das einzig für den Mustang vorstellbare Gelände ist eine glatte Wiese, auf der er dann mit anderen Ponys grasen könnte.
Aber solche Ruhe ist seine Sache nicht. Das erklärt einem der Mustang unmissverständlich, sowie man den Startknopf gedrückt hat. Der Achtzylinder startet zwar erstaunlich ruhig, zeigt aber mit dem Grummeln des großen Hubraums, dass er auch anders kann. Verlangt man genau das von ihm, gibt er sich gesitteter als man es von anderen Achtzylindern in sportlichen Autos gewohnt ist. Er teilt einem deutlich mit, das er gerade heftig zu tun hat, brüllt einem das aber nicht in die Ohren. Auf nasser Fahrbahn war unser Handlungsspielraum eingeschränkt. Wir wollten weder ihn, noch uns überfordern, zumal er uns schon bei etwas heftigerem Anfahren signalisierte, wieviel Drehmoment er bieten kann. Da zuckt das Heck schon einmal deutlich oder drängt in Richtung Kurvenaußenseite. Wer das Driften liebt, wird diesen Hecktriebler schätzen. Die Sportsitze werden ihn daran nicht hindern. Sie bieten die passende Seitenführungskraft und guten Komfort. Hinten – auf den engen Notsitzen – sollte man dabei allerdings keine Passagiere an Bord haben.
So bleibt am Ende einer ersten Fahrt durch das Voralpenland festzuhalten: Der Ford Mustang mit dem Achtzylinder erfüllt exakt die Erwartungen. Er ist bärenstark, kann sich gesittet benehmen, liebt es aber mehr, seinen Fahrer zu fordern. Genau das erwartet der Fan von einem Pony Car. Infotainment und Konnektivität sind prima und zum Teil auf notwendig, ebenso die Fahrer-Assistenzsystem. Das nimmt ein Mustang-Fahrer gern entgegen. Aber der echte Mann und auch so manche echte Frau wollen das echte Auto, das bezwungen und beherrscht werden will. So viel zum Achtzylinder, der sicher eher zu einem Traumauto passt. Aber bei uns wird der Mustang auch mit einem 2.3-Liter-Vierzylinder angeboten. Der schafft immerhin auch 317 PS und 432 Newtonmeter an die Hinterachse und braucht für den Sprint von 0 auf 100 km/h nur eine Sekunde mehr als der Achtzylinder. 5.9 Sekunden – das kann sich ebenfalls sehen lassen. Man muss dem Achtzylinder also nicht wegen der Fahrleistungen hinterher weinen, wenn man sich für den „halben Achtzylinder“ entschieden hat. Aber so einem Vierzylinder geht das martialische nicht nur akustisch ab. Es fehlt die Prise USA, die Pony Cars so reizvoll werden ließ. In Europa liefert der Kraftstoffverbrauch ein gutes Argument für vier statt acht. Der 2.3-Liter-Motor weist einen 3.7 Liter geringeren Durchschnittsverbrauch auf und natürlich eine deutlich geringere Kohlendioxidemission: 179 g/km statt 299 g/km.
Peter Schwerdtmann/amp