Historie – Die drei von der Tankstelle

Historie – Die drei von der Tankstelle. Das Kommissbrot hat nicht nur mit der Ernähung in schlechten Zeiten zu tun. Das Brot lieferte auch den Spitznamen für einen spektakulären Kleinwagen aus Hannover. Hanns-Peter Thyssen von Bornemissza, ein Journalist und Fachbuchautor, den ältere Kollegen noch unter dem Namen Hanns-Peter Rosellen kennen, erzählt, wie Hanomag zu seinem ersten Personenwagen kam und was aus seinen Entwicklern wurde.

Große Freude herrschte in dem kleinen Büro in Hannover. Erst seit wenigen Monaten hatten sie eine kleine Firme gegründet – drei sehr junge Männer: der Ingenieurstudent Hellmuth Butenuth, 25, aus Dortmund, der erfahrene Konstrukteur Karl Pollich, 31, aus Hannover und der Schwabe Fidelis Böhler, 36.In der Inflationszeit,in der die Preise schneller stiegen als warme Luft in den Himmel und immer mehr Firmen ihre Tore schlossen und Arbeitslose hinterließen, gründeten die drei die Butenuth-Fahrzeugwerke AG (kurz: Bufag),die ein kleines Fahrzeug mit hintereinander liegenden Sitzen, zwei Vorderrädern und einem hinteren Antriebsrad für den Zweitakt-Motorradmotor.

Berlin 1923

Über das Fahrgestell war eine Sperrholzkarosserie in aerodynamischer Tropfenform gezogen. Zur Berliner Automobilausstellung im Februar 1923 wurde er dem Publikum vorgestellt. Auf den Ausstellungsstand der Bufag interressierte sich ein Vertreter der „Hannoverschen Lokomotiv- und Maschinenfabrik (Hanomag)“ in Hannover für die Neuheit. Er sah sich das kleine Mobil genau an und kam mit den Erbauern ins Gespräch. Weil der Gesprächspartner sympathisch war, entwickelte sich ein sehr offener Dailog, in dem die drei jungen Männer dem Hanomag-Mann auch gleich ihre zukünftigen Pläne zeigten: einen vierrädrigen Zweisitzer in rundlicher Coupe-Form mit einer seltsamen Form, bei der die Kotflügel nicht mehr separat herausstanden, sondern in die Form eingebaut waren. Die Twens priesen ihre Form als aerodynamische Tropfenform, an deren Konstruktion sie noch arbeiteten. Der Besucher entfernte sich und einige Tage später kam ein Brief an die Bufag, in dem die Hanomag ihr Interesse an dem Wagen bekundete, den die drei in der von ihnen zu gründenden „Kleinwagen AG“ bauen wollten.

Die Hanomag war ein seit 1835 etablierter Großbetrieb, der Dampf-Lokomotiven herstellte .Der unerwartete Boom der neuartigen Benzinkutschen ließ auch die Zukunftspläne bei Hanomag wackeln und mehr in diese Richtung denken. Möglichst schnell musste eine solche Konstruktion her. Anfangs wollte die Hanomag den drei Twens nur die Konstruktion abkaufen. Doch dann würde es an Fachkräften fehlen. Kurzentschlossen kaufte Hanomag nicht nur die Bufag auf, sondern gab den drei Inhabern auch noch Anstellungsverträge. In einer Zeit großer Arbeitslosigkeit ein Glücksfall.

Das Dreirad-Projekt wurde gleich gestrichen und mit der Kraft eines großen Betriebs der Vierrad-Kleinstwagen entwickelt. Und dies gleich mit damals modernsten Produktionsmethoden. Nach Henry Fords eingeführter Fließband-Fertigung wurde auch gleich bei Hanomag ein Fließband gebaut und der 2/10 so konstruiert, dass er der Fließbandfertigung angepasst war.

Hanomag Komissbrot
Hanomag Komissbrot

„Komissbrot“ 1925

Im Frühjahr 1925 kam er auf den Markt. Es gab den 2/10, der wegen seiner Form bald im Volksmund „Kommissbrot“ genannt wurde, auch in der Ausführung „Limousine“, nun mit hinterer Notsitzbank. Zu erkennen war diese Variante durch ein längeres hinteres Seitenfenster. Wegen seiner simplen Bauweise mit Kunstleder-überzogener Holz-Karosserie widmeten ihm die Interessenten den Spruch „Zwei Kilo Blech, ein Kilo Lack – fertig ist der Hanomag“. Der Kleine Hanomag besaß nur eine einzige Tür auf der linken Seite.

Mit einem Preis von 2000 Mark fand er sofort viele Käufer. Nur ein einziger Scheinwerfer schmückte die Front. Bis 1929 blieb der 2/10 im Programm, und er wurde in 15 775 Exemplaren gebaut.

Im Heck vor der Hinterachse arbeitete ein Einzylinder-Viertakt-Motor mit 502 ccm und 10 PS Leistung. Maße 2,78 x 1,18 x 1,60 m, Leergewicht 370 kg, Höchstgeschwindigkeit 60 km/h. Mit einem Verbrauch von 4,0 L/100 km war er damals der sparsamste Großserienwagen. Für Hanomag war dies der erfolgreiche Einstieg ins Automobilgeschäft. Pollich, Butenuth und Böhler bauten in den 30er Jahren das Hanomag-Automobilprogramm weiter aus und leisteten sogar Pionierarbeit im Bereich des Diesel-Motors für Pkw. In den 30er Jahren stieg die Lokomotivfabrik zur einer etablierten Auto-Marke auf.

Nachkriegszeit

Das Ende des Zweiten Weltkriegs veränderte alles: Hanomag musste alle seine leitenden Mitarbeiter entlassen. Kurt Pollich ging in den Ruhestand, Hellmut Butenuth zog nach Berlin, um dort eine Ford-Vertretung auf zu bauen. Fidelis Böhler zog ins Badische.

Butenuth gründete 1949 zusätzlich die Firma „Econom“, die sich mit der Herstellung von Kommunal-Nutzfahrzeugen befasste. 1951 konstruierte Butenuth angesichts der immensen Nachfrage auch einen zweisitzigen Roadster mit Heckmotor und hinten eng zusammenstehenden Rädern: Doch der Kleinstwagen mit 250 ccm-Motor, der „Teddy“ hieß,
wurde nur in vier unterschiedlichen Prototypen gebaut. Die Karosserie des kleinen Zweisitzers bestand aus einer nur nach einer Seite gezogenen Blechplatte, an die jeweils die vordere und hintere Stirnwand angeschweißt wurde. Türen gab es beim allerersten Prtottyp keine. Der letzte Prototyp besaß eine linke Türe und an der Front Aluminumleisten, die einen Kühlergrill vortäuschen sollte. Im Heck steckte ein luft/Gebläsegekühlter Einzylinder-Zweitakt-Motor mit 245 ccm und 6,5 PS. Der 2,15 m kurze Wagen besaß hinten eine Starrachse ohne Differential.

Hanomag  @ Stephan Lindloff
Die Hanomag-Halle in Wildeshausen

 

Der im Juni 1950 fertige Prototyp sollte eine Spitze von 70 km/h erreichen. Wenig später erhielt Butenuth Besuch aus dem Bayerischen Dingolfing. Der Landmashinenfabrikant Hans Glas bot Butenuth an, mit ins bayerische Dingolfing zu ziehen, um dort auf der Basis des Teddy, einen deutschen Kleinst-Volkswagen zu bauen. Doch Butenuth lehnte ab, seine Ford-Vertretung lief gut, das Econom-Werk bot ihm genug Entfaltungsmöglichkeiten – wenn auch nur im Lkw-Bereich.

Fidelis Böhler war schon in den dreißiger Jahrne bei Hanomag ausgeschieden und hatte in Riedlingen ein Konstruktionsbüro eröffnet. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges versuchte Böhler, mit neuen Ideen ins Geschäft zu kommen. Er konstruierte – angesichts der Not im besiegten Deutschland – einen einsitzigen, vierrädrigen Wagen, den „Monoplace“. Der war 3,00 m lang, nur 0,90 m breit und 1,0 m hoch. Der Böhler Monoplace, war nach dem Muster des Hanomag 2/10 PS konstruiert. Er wurde von einem Einzylinder-Zweitaktmotor von JLO mit 147 ccm Hubraum über ein Dreiganggetriebe und eine Kette auf dem rechten Hinterrad angetrieben. Der Preis lag anfangs bei 400 Mark. Die Höchstgeschwindigkeit war mit 40 km/h angegeben. Das Leergewicht sollte 150 kg betragen. Es fanden sich aber keine Investoren, welche die Produktion des Monoplace finanzieren wollten.

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