Historie: Wasser, Passat-Kapitän und das Vespa-Debakel

Historie: Wasser, Passat-Kapitän und das Vespa-Debakel. Hanns-Peter Thyssen von Bornemisza ist ein Journalist und Fachbuchautor, den ältere Kollegen noch unter dem Namen Hanns-Peter Rosellen kennen. Der 1941 geborene Hamburger war Redakteur bei folgenden Blättern: „Deutsche Auto-Zeitung“, der heutigen „Auto-Zeitung“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ und „Bunte“, zuletzt als geschäftsführender Redakteur. Viele Konstrukteure „deutscher Nachkriegs-Mobile“ wurden von ihm persönlich befragt. Diese Recherchen führten nicht nur zu Fachbüchern, sondern auch zu vielen Anekdoten aus den Jahren, als das Auto in Deutschland wieder laufen lernte. Dieses Mal berichtet er vom Opel Kapitän mit Passat-Karosse, wie Wasser der ersten Transit auf der Straße hielt und wie Vespa und Isetta Schicksal spielten.

Passat Limousine
Da es mit den eigenen Auto-Projekten nicht voranging, aber Geld verdient werden musste, kam Heinz Elschenbroich auf folgende Idee: In den späten 40-ger Jahren gab es in Deutschland noch Autos ohne Pontonform. Diese war aber quasi von einem Jahr zum anderen Käufergeschmack geworden. Manche Firmen standen mit ihren alten Modellen völlig daneben. Beispiel: Opel mit seinem Kapitän. Der Opel Kapitän trug noch eine Karosserielinie von 1938: mit nach vorn spitz zulaufenden, hochstehenden Bug, mit zweiteiliger Frontscheibe, mit herausstehenden Kotflügeln und lang auslaufendem Schrägheck mit geteilter Heckscheibe.

Cary Grant als Werbeträger für die BMW Isetta in den 1950er-Jahren
Cary Grant als Werbeträger für die BMW Isetta in den 1950er-Jahren

In dieser Form wurde er nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, ab 1948, wieder gebaut. Er trug Einzelsitze, wo doch gerade die durchgehende Sitzbank vorn Mode wurde. Er trug einen Mittelschalthebel, obwohl die vorbildlichen amerikanischen Autos schon Lenkradschaltung besaßen. Außer Borgward ging noch keine andere deutsche Marke auf diese Trends ein. Warum sollten davon nicht die Gelsenkirchener Passat-Werke profitieren? Kurt Faust entwickelte in Eile eine Karosserie nach den modischen Tendenzen, die genau auf die Technik des Opel Kapitän paßte.

Dieser Viertürer mit Schrägheck und schon leichten Andeutungen von Heckflossen wurde nun den Opel-Händlern angeboten. Die Händler sollten die modische Passat-Karosserie den Eigentümern des alten Opel Kapitän anbieten und ihnen praktisch das Kleid ihres Autos wechseln. Etwa ein Dutzend Mal geschah dies auch: der Kapitän erhielt einen Karosseriewechsel. Doch dann verebbte das Geschäft: die Autofirmen brachten Ende 1953 selbst pontonförmige Karosserien heraus. Opel kam Ende 1953 mit einem pontonförmigen Kapitän-Modell heraus, Mercedes-Benz lieferte seinen 170 V nun als Typ 180 mit moderner Form. Damit war der Untergang von Passat in Gelsenkirchen schon vorprogrammiert. (Quelle: Romanus Müthing)

Ford Transit mit Wasserlast
Der große Erfolg des Volkswagen Transporters nötigte Ford-Köln, auf der Basis des Modells Taunus 12 M ebenfalls einen solchen Klein-Transporter herauszubringen. Im Gegensatz zum niedersächsischen Konkurrenten mit Heckmotor, trug der Transit den Motor genau auf der Vorderachse. Auf den Reißbrettern schien dies eine gute Lösung, sollte doch das Transportgut die Hinter- und Antriebsachse belasten. Schon bei den Testfahrten zeigte sich aber der Nachteil bei Leerfahrt. Dann waren die Hinterräder kaum belastet und fanden kaum Kontakt zur Straßenoberfläche.

Das ganze Ausmaß der Fehlkonstruktion zeigte sich noch kurz vor Anlauf der Serienproduktion – so konnte der Wagen nicht ausgeliefert werden, da auch die Straßenlage negativ beeinflusst wurde. So entschloss sich Ford, am hinteren Ende der Ladefläche zwei Verstärkungen einzubauen, die lebenslang mit Wasser gefüllt wurden und das nötige Gewicht auf die Hinterräder brachten. Von der Hilfskonstruktion bemerkte die Öffentlichkeit nie etwas. (Quelle: Norbert Stevenson, Ford Ingenieur)

Curd Jürgens und die BMW Isetta 1955
Curd Jürgens und die BMW Isetta 1955

Hoffmann Auto-Kabine 250
Der Fahrradfabrikant Jakob Osswald Hoffmann aus Lintorf bei Düsseldorf hatte 1949 den italienischen Motorroller Vespa für Deutschland in Lizenz gebaut und sich damit über Nacht Reichtum, Ruhm und Marktpräsenz erworben. So reiste Hoffmann grundsätzlich immer mit zwei Sekretärinnen durch die Lande. Im Frühjahr 1954 bemühte er sich heftig darum, die Deutschland-Lizenz auch für die italienische Iso Isetta zu bekommen. Weil aber damals schon Iso mit Westfalia und BMW verhandelte, interessierte sich Hoffmann für den Bau des Pinguin-Kleinwagens. Doch der blieb im Prototypen-Stadium stecken. Deshalb baute Hoffmann kurzerhand eine andere Isetta.

Sein Mobil, das er „Auto-Kabine 250″ taufte, hatte eine ähnliche Form wie die Isetta, allerdings statt der Fronttür Seitentüren, denn Hoffmann konnte nicht in Erfahrung bringen, ob die Fronttür an der Isetta patentiert war. Er ging aber davon aus. Sein Wagen besaß neben der vorderen Sitzbank zwei Kindersitze im Heck. In der Standardausführung hatte Hoffmanns Wagen eine hinten angeschlagene, rechte Seitentüre und ein Stoff-Rolldach, in einer geplanten Luxusversion sollten es sogar zwei Seitentüren sein. Dank der feststehenden Front war auch ein richtiges Armaturenbrett möglich.

Im Gegensatz zur Iso Isetta bot die Hoffmann-Kabine die begehrte Lenkradschaltung für das Viergang-Getriebe und ein länger auslaufendes Heck mit Kühllufteintritt unter der Heckscheibe. Die Hoffmann Auto-Kabine hatte folgende Maße: 2,28 x 1,39 x 1,35 m. Radstand 1,65 m (Iso/ BMW Isetta 1,50 m). Spurweite vorn 1,22 m, hinten 0, 52 m. Leergewicht 350 kg. Die Räder hingen vorn an geschobenen Längsschwingarmen, die beiden eng zusammenstehenden Hinterräder an einer kleinen Starrachse mit Halbelliptikfedern. Die Hinterräder waren nicht vollverkleidet, die Scheinwerfer lagen tief.

Die „Hoffmann-Auto-Kabine-250″ trug im Heck den in Lintorf entwickelten Zweizylinder-Viertakt-Boxer-Motor mit 298 ccm Hubraum und 18,5 PS bei 5400 Umdrehungen pro Minute (U/min), der auch im Hoffmann-Motorrad Gouverneur mit Kardanwelle Verwendung fand. In der Kabine lag der Motor zentral vor den beiden Hinterrädern, die mit einer Spurweite von 520 mm zusammenstanden. Die Kabine wurde mit einer Höchstgeschwindigkeit von 85 km/h und einem Verbrauch von 3,8 l/100 km angegeben. Eigentlich hätte die Kabine „Auto-Kabine 300″ heißen müssen, doch im Hinblick auf die vielen Besitzer des alten Führerscheins IV, der für Fahrzeuge bis 250 ccm galt, änderte Hoffmannden Namen auf 250.

Bereits am 2. Juni 1954, während BMW noch die Produktionsvorbereitungen für die Isetta traf, zeigte Hoffmann einen Prototyp seiner Kabine der Öffentlichkeit. Ende August 1954 reichten BMW und Iso gemeinsam eine Klage gegen Hoffmann beim Landgericht München ein. Sie basierte auf dem Passus „sklavische Nachahmung“ und Gebrauchsmusterschutzrechte. Dennoch begann in Lintorf Ende August / Anfang September 1954 die Auslieferung der ersten Kabinen, von der bis Februar 1955 ganze 113 Exemplare gebaut wurden.

Da der Vespa-Absatz drastisch zurückgegangen war, fühlte sich Hoffmann dazu gezwungen, die Kabine zu bauen. Für Jakob Osswald Hoffmann kam es noch dicker. Die Piaggio-Werke hatten ihm die Vespa-Lizenz gekündigt, weil er eigenmächtig Verbesserungen vorgenommen hatte. Daraufhin kündigte Hoffmanns Hausbank alle Kredite. Zum Jahresende 1954 schlossen die Hoffmann-Werke ihre Tore, noch ehe der Isetta-Prozess zu Ende war. BMW bekam zu 80 Prozent recht, Hoffmann zu 20 Prozent. BMW und Hoffmann trennten sich gütlich, er erhielt zum Abschied sogar einen BMW 501-V8 zum Geschenk. Seine Arbeiter bekamen aber ihren Lohn aber nicht mehr, sie plünderten daraufhin die Fabrik. Der Konkursverwalter ließ noch aus vorhandenen Teilen weitere Kabinen bauen. Eine ganze Reihe der 350 kg schweren Kabinen wurden 1956 noch zu Tiefstpreisen in der näheren Umgebung von Düsseldorf verkauft. (Quelle: Jakob Osswald Hoffmann)