Kommentar – Krisenstimmung am Detroit River
Mitte der 1980er Jahre, die amerikanische Automobilkrise steuerte auf ihren Höhepunkt zu, die Stadt Detroit war pleite. Zur gleichen Zeit verbreitete der riesige Ford River Rouge Complex, wo einst an der einen Seite Eisen verhüttet wurde und auf der anderen fertige Autos vom Band rollten, als Fast-Ruine düstere Endzeit-Stimmung. In einigen Gegenden der Stadt erreichte die Arbeitslosenquote die Rekordmarke von 50 Prozent. Ein Kommentar von Hans-Robert Richarz.
Damals war die Lage ernst
Damals war ich als junger Journalist in Detroit auf Recherche unterwegs. Am Renaissance Center, dem mit 221 Metern höchsten Gebäude der Stadt am Detroit River, kam ich mit ein paar Afro-Amerikanern ins Gespräch, die dort recht erfolgreich angelten. Es stellte sich rasch heraus, dass sie das nicht zum Zeitvertreib machten: „Wir sind froh über jeden Fisch, wir haben nämlich Hunger.“
Die Geschichte könnte sich wiederholen
Jetzt könnte es erneut für den Lebensunterhalt der Leute ernst werden, denn Präsident Donald Trump droht damit, General Motors (GM) an die Gurgel zu gehen. Mary Barra, Chefin des größten US-Autokonzerns informierte er laut „Wallstreet Journal“ telefonisch, sie habe „ab sofort ein Problem“. Sämtliche Subventionen kämen auf den Prüfstand, ganz besonders die für die Entwicklung neuer Elektrofahrzeuge.
GM war bankrott
Dabei hatte die GM-Vorsitzende, die ein einst bankrottes Unternehmen zu einem einigermaßen gesunden Konzern entwickelt hatte, nichts anderes in Gang gesetzt, als zu versuchen, die Folgen der von Trump beschlossenen Einfuhrzölle für Stahl und Aluminium abzumildern. Dafür will sie Fabriken in den Bundesstaaten Ohio, Michigan und Maryland dicht machen und nimmt dafür 15 000 Entlassungen in Kauf.
Investitionen sollen sich nicht auszahlen
Dass sie damit präsidialen Jähzorn auf sich zog, dürfte sie nicht wundern. Immerhin befinden sich die betroffenen Werke in Gegenden, wo sich die Menschen auf die vollmundigen Job-Versprechen Trumps verlassen und ihn deshalb in Scharen gewählt hatten. Schlimmer noch: Fabrikationsstätten in China und Mexiko bleiben zum großen Ärger des Präsidenten unangetastet. „The U.S. saved General Motors, and this is the THANKS we get!“ polterte er auf Twitter, seinem bevorzugten Informationsmedium (Die USA haben General Motors gerettet, und das ist nun der DANK dafür!). Damit spielte er auf den Sommer 2009 an, als nur eine kräftige Finanzspritze seines Vorgängers Barack Obama GM vor dem Untergang bewahrt hatte. Weiter gab Trump zu verstehen, er wolle dafür sorgen, dass sich die Investitionen in China und Mexiko nicht auszahlen würden: „I am here to protect America’s Workers!“ (Ich bin hier, um amerikanische Arbeiter zu schützen!).
Die Strafzölle sind aber ein Eigentor
Trump übersieht allerdings bei seiner Tirade, dass er selbst die Hauptschuld am drohenden Desaster trägt. Mit seinen Strafzöllen hat er sich nämlich selbst ins Knie geschossen und schlicht übersehen, dass die US-Stahl- und AluminiumIndustrie, der er laut Wahlversprechen zu neuem Glanz verhelfen wollte, gar nicht in der Lage war, auf die Schnelle Material in der Qualität zu liefern, wie sie von der Automobilindustrie benötigt werden. Also müssen sich diese Unternehmen im Ausland versorgen. Und das ist jetzt teurer denn je. Im zweiten Quartal musste GM deswegen rund 300 Millionen Dollar an Mehrkosten verkraften. Über das Jahr gerechnet könnten eine Milliarde Dollar zusätzlicher Kosten auf den Konzern allein durch den Zollstreit zwischen den USA und China zukommen. Ähnliches dürfte auch dem Konkurrenten Ford drohen.
Die Ratschläge sind.. naja
Trumps Ratschlag an die Branche, den er jetzt im Nachrichtensender CNN zum Besten gab – „baut einfach ein Auto, das die Leute haben wollen, und das hier in den USA“ – wird nur wenig nützen. Der US-Autoindustrie drohen schwere Zeiten, verursacht von höchster Stelle. Hoffentlich müssen das nicht schon wieder die Fische im Detroit River ausbaden. (ampnet/hrr)