Kommentar – Musk spielt das Lied vom Tod
Weil er über Leichen geht, wenn es gilt, den eigenen Erfolg zu sichern, trägt er längst den Beinamen „Donald Trump des Silicon Valley“. In dieser Hinsicht gleichen sich nämlich der jetzige US-Präsident und Elon Musk – neben zahlreichen Aktivitäten Gründer und Chef des kalifornischen Elektroautoproduzenten Tesla – aufs Haar. Inzwischen ist diese Qualifizierung allerdings nicht mehr nur im übertragenen Sinne zu verstehen, sondern wortwörtlich.
Die Gefahren durch die derzeit weltweit wütende Pandemie, von der die USA am schlimmsten betroffen sind, wischen die beiden unbeeindruckt vom Tisch. Kaltlächelnd erwartet Donald Trump schon für den 1. Juni die Rekordzahl von 100.000 Toten in den 50 amerikanischen Bundesstaaten. Dennoch verurteilt er alles, was zwischen Tennessee und Texas, Kalifornien und Colorado oder New York und New Mexico zur Eindämmung der Seuche getan wird – vom Lockdown über Abstandsregeln bis zur Maskenpflicht. Er – selbst Maskenverweigerer – besteht darauf, dass die Wirtschaft ohne Rücksicht auf Verluste wieder in Gang kommt, weil er sich durch eine wiederbelebte Konjunktur Chancen ausrechnet, seine Wiederwahl am 3. November zu sichern.
„Die Coronavirus-Panik ist dumm“
Ähnlich agiert Elon Musk, nur mit anderer Zielsetzung. Weil er sich Sorgen um die Produktionszahlen seines Mittelklasse-Elektroautos Model 3 in Fremont im Südosten der Bucht von San Francisco macht, das sein Unternehmen aus den roten Zahlen befördern soll, läuft er Sturm gegen alle Vorschriften des US-Bundesstaats Kalifornien im Zusammenhang mit der Pandemie. „Die Coronavirus-Panik ist dumm“, schrieb er schon zu Beginn des Ausbruchs der Krankheit in den USA. Als dann die behördlich angeordneten Einschränkungen bekannt wurden, verlangte er vergebens, dass sein Werk als „systemrelevant“ weiterarbeiten dürfe.
Jetzt will er, dass alle seine 10.000 Mitarbeiter umgehend an Produktionsbänder oder Schreibtische zurückkehren, Corona und Covid-19 hin, Corona und Covid-19 her. Die Anordnungen der Behörden verspottete er als „faschistisch“. Um die Wiedereröffnung seiner Fabrik würde er sogar ins Gefängnis gehen oder seinen Firmensitz in einen anderen Staat verlegen, verkündete er vollmundig. Und außerdem: „Wenn ihr euer Geld haben wollt, müsst ihr euch über die Anordnungen der Regierung hinwegsetzen“, ließ er die Beschäftigten wissen.
„Das ist keine Entschuldigung“
Als erbarmungsloser Leuteschinder hat sich Musk längst einen Namen gemacht. Zu Beginn der Tesla-Produktion waren Zwölf-Stunden-Schichten an sechs Arbeitstagen in der Woche bei ihm normal, gleichzeitig Zwangsüberstunden die Regel. Verbürgt ist eine E-Mail von ihm an einen Mitarbeiter, der bei einer Tesla-Firmenveranstaltung fehlte, weil er bei der Geburt seines Kindes dabei sein wollte. „Das ist keine Entschuldigung, ich bin extrem enttäuscht“, schrieb Musk. „Sie müssen klären, wo ihre Prioritäten liegen.“
Als Musk vor drei Jahren den mittelständischen Maschinenbaubetrieb Grohmann Engineering in Prüm übernahm, weil er ihn für die Fertigung des Model 3 brauchte, wich die Euphorie im Eifelstädtchen ziemlich schnell rasch einsetzender Ernüchterung. Über die Hälfte der Grohmann-Beschäftigten waren Mitglieder der IG Metall, was Musk überhaupt nicht schätzte. Gewerkschaften mag er nämlich nicht und findet Arbeitnehmervertreter überflüssig.
Eher kam ihm entgegen, dass bei Grohmann die Löhne erheblich unter dem Branchenschnitt lagen. In der Eifel gab es nur 70 bis 75 Prozent des tariflich vereinbarten Einkommens. Ob das auch politisch Verantwortlichen in Brandenburg bedachten, als sie Musks Entscheidung bejubelten, eine Fabrik in Grünheide für die Produktion von E-Autos und Batterien zu bauen? Wohl kaum, denn sonst hätten sie wohl kaum mit großzügigen Subventionen gewunken. Bleibt zu hoffen, dass es dort nicht zu einem bösen Erwachen kommt, weil für den neuen Arbeitgeber aus Amerika menschliche Verhaltensnormen nicht zu gelten scheinen. Selbst dann, wenn es um Leben oder Tod geht. hrr