Los Angeles 2024 – Der Elektro-Entzug beginnt

Südkalifornien im November 2024 – Ein Auto-Paradies. die Temperaturen liegen über 20 Grad, viele Bergstraßen sind noch offen, die Klassiker sind hier das ganze Jahr über unterwegs. Die Juroren der „World Car Awards“ kommen in Pasadena zusammen, um die neuesten Modelle zu fahren – und es gibt, wieder einmal, die Automesse in Los Angeles.

Wer befürchtet hat, dass im Anschluss an die Präsidentschaftswahlen Proteste ausbrechen würden, darf aufatmen. Viele US-amerikanische Demoskopen hatten den Sieg von Donald Trump bereits vorausgesehen, lediglich das Ausmaß des Vorsprungs überraschte. Und natürlich ist die Politik Gesprächsthema, denn sie betrifft auch die Autoindustrie. Trump hat versprochen, Arbeitsplätze in die USA zurückzuholen, und deshalb Strafzölle für Autos aus China und Mexiko angekündigt. Viele Beobachter gehen allerdings davon aus, dass es sich dabei – jedenfalls im Hinblick auf Mexiko – vor allem um Verhandlungsmasse für ein strafferes Grenzregime handelt.

Klar ist hingegen: Die umstrittene Vision vom großen Schwenk zur E-Mobilität ist erledigt. Trump hat Elektroautos im Wahlkampf häufig mit beißendem Spott überzogen und selbst der zum engen Präsidentenberater und Medien-Mogul avancierte Tesla-Chef Elon Musk hat eine weitere Subventionierung klar abgelehnt. Kalifornien will die Elektrifizierung zwar weiterhin erzwingen, doch Gouverneur Gavin Newsom gilt als Pragmatiker. Gut möglich, dass seine mächtige CARB-Behörde, in der seit Jahrzehnten autofeindliche Ideologen walten, demnächst als sprichwörtlicher Bettvorleger landet. Die Kundschaft hat den bislang politisch erwünschten Wechsel zur E-Mobilität ohnehin nur schleppend nachvollzogen, die Verkäufe in den USA erreichen noch nicht einmal die Zehn-Prozent-Marke.

Neu – Modell Hyundai Initium
Ford Bronco Stroppe Special Edition

Für diejenigen Hersteller, die sich der E-Mobilität bereits restlos verschrieben hatten, ist die neue SituationHerausforderung. Sie müssen hastig die bereits abgeschriebene Verbrenner-Technologie aufpolieren. Auf die rhetorischen Pirouetten der nächsten Monate darf man schon jetzt gespannt sein. In Los Angeles gibt es heuer jedenfalls Premieren der unterschiedlichsten Art zu sehen. Die bedeutendsten von ihnen kommen aus Korea: Der Hyundai Ioniq 9, ein großer SUV mit variablem Innenraum und leistungsstarken Elektromotoren, ist eine globale Weltpremiere. Technisch ist er mit dem Kia EV9 verwandt, stilistisch setzt er völlig eigenständige Akzente. Der Koreaner ist großzügig verglast, das Dach fällt nach hinten sanft ab, die Designer haben sich vom kultigen Audi A2 inspirieren lassen. Im Fahrzeugboden stecken Akkus mit bis zu 110 kWh Kapazität.

Ford feiert mit der Stroppe Edition den sensationell erfolgreichen, konventionell angetriebenen Geländewagen Bronco. Das Sondermodell spielt auf den Sieg beim Baja-1000-Rennen im Jahr 1971 an. Die zwischenzeitlich gestrichene Basisvariante mit Stahlfelgen wird wieder ins Programm aufgenommen, mit einem äußerst erschwinglichen Einstandspreis von deutlich unter 40.000 Dollar. Der Bronco ist dann übrigens auch mit Handschaltung ausgerüstet, einem Merkmal, das in Europa neuerdings gerne als obsolet bezeichnet wird.

Fiat 500e Giorgio Armani Edition 

Fiat präsentiert den Fiat 500e Giorgio Armani Edition im Armani-Store in Beverly Hills. Der elegante Kleinwagen kommt in Grün oder Keramikgrau, und was im Interieur nach Leder und Holz aussieht, ist lediglich Chemiewerkstoff, allerdings so elegant verarbeitet, wie man es von dem italienischen Couturier erwartet.

Volkswagen Tiguan US Version

Der Volkswagen Tiguan – so heißt hier die Langversion, die in Europa als Tayron auftritt – ist für die Wolfsburger von größter Bedeutung. Er soll an den Erfolg seiner Vorgänger anknüpfen. Und es kommt endlich auch der ID Buzz in die USA, den es hier nur in der Langversion gibt. Er löst das im Jahre 2001 mit dem Microbus gegebene Versprechen ein. Der Prototyp hatte seinerzeit wahre Begeisterungsstürme ausgelöst. Doch damals wurde er von einem 3,2-Liter-VR6 angetrieben, heute stecken Elektromotoren unter der schönen Haut.

Tesla Robotaxi im Anflug auf die USA

Elon Musks Marke Tesla zeigt mit dem Robotaxi, dass ein vollautonomes Auto auch schön sein kann. Die Kunden des bereits vor sieben Jahren angekündigten Roadster müssen sich unterdessen weiter in Geduld üben: Bei diesem Modell handele es sich nicht nur um das „Sahnehäubchen, sondern um die Kirsche obendrauf“, formulierte Musk auf einer Investorenkonferenz blumig. Andere Projekte hätten weiterhin Vorrang.

Vom Dodge Charger auf der technologieoffenen STLA-Plattform von Stellantis gibt es Neuigkeiten: Ursprünglich sollte das Modell nur als Elektroauto kommen, doch eine wahre Protestflut bewog Markenchef Tim Kuniskis, auch Varianten mit dem turboaufgeladenen Hellfire-V6 nachzuschieben. Es war die große Überraschung beim Debüt; die Reaktion der Fans war begeistert und nur dadurch getrübt, dass der berühmte Hemi-V8 entfallen soll.

Fiat 500e Armani Collector’s Edition

Damals behauptete Kuniskis, die Elektroversionen seien „interessanter und aufregender“, es sei deshalb folgerichtig, dass sie Vorrang bekämen. Doch jetzt ist zu hören, dass die Verbrenner mit höchster Priorität fertigentwickelt und so schnell wie möglich auf den Markt gebracht werden sollen. Offenbar hält sich das Interesse an den E-Varianten in überschaubaren Grenzen. Vielleicht geht der Lernprozess sogar so weit, dass man den V8 noch einmal aus der Versenkung holt.

Nicht vor Ort, doch in aller Munde ist die britische Nobelmarke Jaguar, die sich vollständig neu positionieren will. Ein am 20. November lancierter Online-Clip, der an eine provokante Fashion-Show erinnert, sorgt dabei für spöttische bis entsetzte Reaktionen. Die Briten setzen künftig auf vollelektrische Modelle. Laut Flurfunk in Los Angeles sollen sie viel teuer sein als das aktuelle Modellprogramm und sich der Marktpositionierung von Bentley nähern. Erst vor wenigen Jahren hatte Jaguar einen fertig entwickelten, neuen XJ im letzten Moment eingestampft. Insider wissen, dass dieses Modell technologieoffen ausgelegt war und neben dem bereits kommunizierten Elektroantrieb auch als Plug-in-Hybrid mit Verbrennungsmotor eingeführt werden sollte. Man trete mit den sehr hochpreisigen neuen Elektroautos – man rechnet mit 150.000 Euro und mehr – ohnehin nicht in Konkurrenz mit anderen Autos, sondern mit Luxusgütern. Die niedrigeren Stückzahlen sollen durch hohe Margen überkompensiert werden. Mit diesem Plan haben sich Chefdesigner Gerry McGovern und Markenstratege Santino Pietrosanti, der in den sozialen Medien als neues Gesicht der Marke gilt, auf ganzer Linie durchgesetzt.