Maserati Levante – Aufholjagd unter Neptuns Dreizack

Maserati Levante – Aufholjagd unter Neptuns Dreizack. Autodesigner und -entwickler haben es derzeit leicht: Fehlt es an zündenden Ideen, einfach ein SUV ins Programm nehmen und sie haben auf Jahre ausgesorgt. Solch eine Verlegenheitslösung ist der Maserati Levante natürlich nicht, aber was wirklich von ihm zu halten ist, zeigt unser Praxistest.

Es ist der Dreizack des Meeresgottes Neptun, dessen Skulptur im Zentrum von Bologna zu bewundern ist und den Maserati von Anbeginn der Autoproduktion als Logo führt. Deshalb passt es zur Tradition, dass ein gefräßig aufgerissenes Haifischmaul das Erste ist, was man vom Levante wahrnimmt. Und da die Front eines SUV nun einmal größer ist als die eines Zweisitzers, erscheint der Kühlergrill noch ein bisschen großmäuliger. Das Heck dagegen ist eher unscheinbar, wer sich an einen Porsche Cayenne erinnert fühlt, liegt sicher nicht falsch. Und es ist ja auch keine Schande, an die Zuffenhausener Edelmarke erinnert zu werden.

Maserati Levante

Eine Edelmarke zu sein, nimmt Maserati schließlich für sich selbst ebenfalls in Anspruch. Seit er hierzulande im Handel ist, hat er der Dependance des italienischen Herstellers nur Freude bereitet. Bis Ende Mai waren fast so viele Autos neu zugelassen wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres von allen anderen Modellen zusammen. Damit ist er mit Abstand der bestverkaufte Dreizack-Bolide. Bis er die vergleichbaren Produkte von BMW, Mercedes oder Porsche eingeholt hat, fehlt ihm aber noch ein gutes Stück. Die haben zwischen dem Vier- und Zehnfachen auf dem Zulassungskonto.

Was noch auffällt: Die Diesel-Affinität der deutschen Levante-Kunden ist nicht so ausgeprägt wie bei den einheimischen Premiummarken. Während dort – modellabhängig – Selbstzünder-Quoten von 80 bis 90 Prozent erreicht werden, sind es bei Maserati nicht einmal 70 Prozent. Der ehrliche italienische Sportwagen, könnte man daraus schließen, hat in den Augen vieler Kunden immer noch einen Ottomotor. Naheliegend, dass auch für diesen Test ein Dieselmotor gewählt wurde. Er hat sechs Zylinder, leistet 202 kW/275 PS und ist in seiner Urform bei VM-Motori entwickelt worden. Das 1947 gegründete Unternehmen war einst auf Lkw-Antriebe spezialisiert, eine Tatsache, die auch heute noch akustisch präsent ist.

Maserati Levante

Wenn es stimmt, dass Maserati-Kunden anspruchsvoll, individualistisch und zuweilen exzentrisch sind, dann hatte der Testwagen die richtige Innenausstattung. Natürlich Leder in großzügiger Anwendung und in knalligem Rot. Aber es passt zum Hauch der Exklusivität, der mit dem Klang des Namens verbunden ist. Die Qualität der gegerbten Tierhäute ist kuschelweich, die Sitze schmiegen sich bequem an und selbst im Fond hat man nicht das Gefühl, in der zweiten Reihe zu sitzen. Verstellbare Rücklehnen dort tragen viel zum Wohlbefinden bei.

Ebenfalls sehr exklusiv sind die Platzierungen verschiedener Bedienknöpfe. Der Knopf zum Starten des Motors ist nicht etwa auf der Mittelkonsole oder gar rechts neben dem Lenkrad, sondern links davon – im unteren Teil der Armaturenverkleidung direkt neben dem Lichtschalter. Einen weiteren Knopf findet man auch nicht dort, wo man ihn suchen zu müssen meint: Die elektrische Heckklappe, sie ist serienmäßig, wird nicht an deren unterem Ende betätigt, sondern an der Innenverkleidung links. Ehemalige Jeep-Fahrer haben da keine Umgewöhnungsprobleme. Wer die Klappe vom Fahrersitz aus öffnen will, sucht den Schalter am besten gleich am Dachhimmel in der Nähe des Rückspiegels.

Maserati Levante
Maserati Levante

Vom Fahrersitz aus ist die Sicht nach hinten eher bescheiden, weshalb man auf die Rückfahrkamera besser nicht verzichten sollte. Sie zaubert ein brillantes Bild auf den Navigationsmonitor. Die Routenplanung kann man dort auch ablesen, vorausgesetzt man ordert das Business-Paket. Parksensoren vorne und hinten gibt es dann dazu. Von Hause aus ist der Levante noch mit Luftfederung, Bi-Xenon-Scheinwerfern, Start/Stopp-Automatik, höhenverstellbarem Fahrwerk und adaptiver Dämpfung sowie einem Soundsystem ausgestattet. Assistenten wie adaptiver Tempomat, Spurhalte-, Totwinkel- und Spurwechsel-Überwachung sowie Auffahr-Warnsystem sind in diversen Optionspaketen enthalten.

Ein Edel-SUV als Lastwagen zu missbrauchen, schickt sich nicht, weshalb man über die 80 Zentimeter hohe Ladekante kein böses Wort verlieren sollte. Aber es herrscht recht ordentlich Platz hinter den Fondsitzen, 580 Liter stehen im Datenblatt. Es könnten sogar noch ein bisschen mehr sein, dagegen stehen aber das nach hinten abfallende Dach und die schräge Heckscheibe, so dass flaches Packen angesagt ist. Bei umgelegten Sitzen kämen 1.600 Liter heraus, aber wer will das wissen im mondänen Reich von Lederbezügen, Holz- und Karbon-Applikationen? Alcantara ist auch im Angebot und zwar als Dachhimmel.

Es knurrt gewaltig, wenn der 3,0 Liter-Sechszylinder geweckt wird. Mit zunehmender Betriebstemperatur legt sich das etwas, doch das Triebwerk kann seine Herkunft nicht verbergen. Störend ist das nicht, denn der Innenraum ist einigermaßen gut gedämmt. Das ändert sich erst, wenn die Straße schlechter wird. Dann wird das Fahrwerk akustisch aktiv. Der Federungskomfort bleibt zwar auf Oberklasseniveau, das Poltern der großen Räder (beim Tester 20-Zöller) dringt aber hörbar durch. Auf ebenem Asphalt wurden im Testwagen bei 100 km/h 65 dB Innengeräusch gemessen, auf Straßen mit Reparaturbedarf 75 dB. An der Verarbeitung der Innenbauteile gibt es keine Kritik. Selbst auf der Holperstrecke blieben Knirschen, Zirpen, Klappern oder Knarzen Fehlanzeige.

Maserati Levante

Dank 600 Newtonmetern Drehmoment gibt sich der Levante beim Beschleunigen keine Blöße, selbst dann nicht, wenn etwas mehr Masse zu bewegen ist, als vorgesehen. 2.205 Kilogramm gibt der Hersteller als offizielles Leergewicht an, der Tester brachte ohne Insassen 2.350 Kilo auf die Waage. Eine kleine Abweichung vom Soll auch an anderer Stelle: 230 km/h soll er laut Maserati rennen, bei durchgedrücktem Pedal und Tachoanzeige 240 waren es effektive 221 km/h.

Viel Gutes ist in der Vergangenheit bereits über das ZF-Acht-Gang-Getriebe gesagt und geschrieben worden, so dass keine Wiederholung nötig ist. Der Schaltkomfort ist vorbildlich, der enorme Durchzug des Motors wird souverän umgesetzt. Wer manuell Schalten möchte, kann dazu die Lenkrad-Paddles benutzen, die nach italienischer Eigenart die Drehbewegungen des Lenkrades nicht mitmachen, sondern fest montiert sind. Um sie bei eingeschlagener Lenkung mit dem Fingerspitzen erreichen zu können, sind sie entsprechend groß und vollziehen von der Ruhestellung bis zum Schaltimpuls einen relativ langen Weg. Außerdem kann man beim Tasten nach dem Blinkerhebel schon einmal damit ins Gehege geraten. Das ist gewöhnungsbedürftig.

Das ausgewogene abgestimmte Fahrwerk zeigt zwar in den verschiedenen möglichen Einstellungen keine breite Spreizung, ist aber immer komfortabel und dem Luxusanspruch angemessen. Wer tatsächlich über den Acker pressen oder in entlegene Waldstücke zum Schwammerlsuchen fahren will, kann mittels Luftfederung die Karosserie um bis zu 40 Millimeter anheben. Außerdem gibt es eine Absenkfunktion zum erleichterten Einsteigen. Bei geringem Tempo könnte die Servounterstützung der Lenkung ein bisschen kräftiger ausfallen, ansonsten ist sie feinfühlig genug für sicheres Manövrieren. Von der hohen Sitzposition aus fühlt sich der Wendekreis wie 13 Meter oder mehr an, er soll aber laut Maserati bei 11,7 Metern liegen.
Selbst wenn der Testverbrauch von 8,8 Litern den Prospektwert von 7,2 (kombiniert) ins Reich der Fabel verweist, muss man dem Levante zugute halten, dass er gute Fahrleistungen und guten Komfort mit angemessenen Verbrauchswerten herstellt. Ein Auto dieses Kalibers über mehrere hundert Kilometer mit zwei Personen und Gepäck unter neun Litern zu befördern, ist der Anerkennung wert.

Maserati Levante

Fazit: Ohne besondere Schwächen zu offenbaren, brummelt sich der Maserati lässig in den Kreis der Luxus-SUV. Mit Porsche und BMW, aber auch mit Range Rover oder Volvo fährt er auf Augenhöhe. Zum gehobenen Komfort und konkurrenzfähigen Fahrleistungen bietet er die Portion Exklusivität, die andere wegen ihrer größeren Präsenz auf den Straßen schon längst eingebüßt haben.

afb/amp

 

 

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