Mercedes-Benz GLE
Es hat alles fast bescheiden angefangen: 1997 mit dem ersten Mercedes-Benz ML, dem ersten Geländewagen mit Chic und Komfort, der besser auf die Straße als ins Gelände passte, gebaut in den USA für die Amerikaner. Aus dem ML wurde der Bestseller M-Klasse und jetzt eine komplette Baureihe mit dem neuen Namen GLE, was man als Gelände-Luxuswagen der E-Klasse übersetzen kann. Gleichzeitig wurde aus einem Modell eine ganze Modellfamilie von 204 Diesel-PS und Frontantrieb bis zu einem Allrad-Coupé mit 558 PS, von knapp 54 000 Einstiegspreis bis zu gut 125 000 Euro und zu einer Hybrid-Version für 73 899 Euro. Einen vertrauten Eindruck erwecken die Varianten der GLE-Baureihe, denn bei Ihnen handelt es sich um eine Überarbeitung der bisherigen M-Klasse, bei der außen und innen das neue Design des Hauses zum Zuge kam. Kühlermaske, Stoßfänger, Kotflügel und die Kühlerhaube mit den beiden Powerdomes wurde dabei ebenso geliftet wie die Scheinwerfer mit den Augenbrauen des LED-Tagfahrlichts. Hinten fiel die Retusche weniger auffällig aus. Der Fachbegriff lautet eben „Facelift“ und sagt nichts zum Rücken. Innen fällt zunächst das aufgesetzte (Mercedes-Benz-Sprache: teilintegrierte) Display auf dem Armaturenträger auf. Beim aufpreispflichtigen Command online-System misst es in der Diagonale immerhin acht, sonst sieben, Zoll. Neue Farben und Detailarbeit verfeinern und heben das Innenleben. Alle Diesel Modelle werden mit der Neun-Gang-Automatik 9G-Tronic ausgeliefert, die Benziner mit der 7G-Tronic. Alle haben „Dynamic Select“ an Bord, mit der der Charakter des Fahrzeugs verändern werden kann (Comfort, Sport, Sport plus, Individual und Glätte). Der Effekt ist bei allen Modellen spürbar. Auch hier verdeutlicht besonders AMG, was an „Spreizung“ so alles möglich ist. Unter der sportlichsten Einstellung werden die AMG zu Angebern, die ihre Kraft bei jeder Beschleunigung und bei jedem Schaltvorgang lautstark in die Gegen protzen. Sonst geht es bei den GLE eher gesittet zu, was nicht mit „langweilig“ gleichgesetzt werden darf. Es gibt bei den vielen angebotenen Antriebsvarianten viele, die jedem Käufer nicht nur Komfort, sondern auch den passenden Fahrspaß versprechen. Den Anfang im reichhaltigen Angebot stellt der GLE 250 d mit 150 kW / 294 PS dar, der einziger GLE, den man mit Frontantrieb kaufen kann. Alle anderen kommen mit der neuesten Version des Allradantriebs 4Matic daher. Das beginnt mit dem GLE 250 d und dem V6-Diesel GLE 350 d mit 190 kW / 258 PS und umfasst insgesamt fünf Benziner: den GLE 400 (V6 mit 2996 ccm, 245 kW / 333 PS), den GLE 500 (V6 mit 4663 ccm, 320 kW / 435 PS sowie den beiden AMG GLE 63 (V8 mit 5461 ccm, 410 kW / 557 PS) und dem GLE 63 S (V8 mit 5461 ccm, 430 kW / 585 PS). Diese Benziner stecken auch unter der Haube der Coupé-Version des GLE, für die als einziger Diesel nur der 350 d angeboten wird. Wer einen Hybridantrieb erleben will, der kann das nicht in der Coupé-Variante. Der Mercedes-Benz GLE 500 e kombiniert einen V6-Turbobenziner mit 2996 ccm Hubraum und 245 kW / 333 PS mit einem 85 kW / 116 PS-Elektroantrieb, die es zusammen auf eines Systemleistung von 325 kW / 442 PS und ein Systemdrehmoment von 650 Newtonmetern bringen. Das sind die Leistungen eines kleinen Achtzylinders (245 km/h Spitze und Sprint von 0 auf 100 km/h in 5,3 Sekunden) mit den Verbrauchswerten eines Sechszylinders – in diesem Fall mit einem Normverbrauch (nach NEFZ) von 3,3 Litern bis 3,7 Litern auf 100 km. Das ist ein theoretischer Wert, der sich in der Praxis nicht erzielen lässt. Dann wird man mit Verbrauchswerten rechnen müssen, die sich an denen von Dieseln orientieren. Da die Verbrauchswerte für alle Antriebe um maximal 17 Prozent gesunken sind, muss sich der GLE 500 e mächtig ins Zeug legen, wenn er im täglichen Betrieb, zumal bei Überlandfahrten, bessere Werte zeigen will. Aber es gibt ja gerade in dieser Fahrzeugklasse der SUV noch andere Werte als nur den für den Kohlendioxidausstoß. Da benimmt sich der Hybrid-GLE vorbildlich. Sein Sechszylinder bleibt gelassen, ruhig und kultiviert, wenn er dem Elektroantrieb zugeschaltet wird. Auch vom Schaltvorgang spürt man nichts. Dafür genießt man das geräuschlose Dahingleiten mit dem puren Elektroantrieb: laut Mercedes-Benz-Unterlagen maximal 31 Kilometer und höchstens 120 km/h. Etwa zehn Liter liegen im Verbrauch zwischen dem Hybrid und dem 350 d und dem Mercedes-AMG GLE 63 S 4Matic, auf der Autobahn bei Höchstgeschwindigkeit schon einmal mehr. Dafür lässt der AMG keinen Zweifel daran, wofür er den Sprit verbrennt. Sein Vorwärtsdrang ist sensationell und – wenn man ihn reizt –ohrenbetäubend. Die Schaltung arbeitet so schnell und zielgenau, dass man die Paddel vergessen kann. Seine Lenkung erweist sich als direkt und präzise. So ein sanftes und spontanes Einlenkverhalten hätte man dem 2,2-Tonner auf seinen großen 22-Zoll-Füßen gar nicht zugetraut, die allerdings auch gern den Spurrillen nachlaufen. Durch die Kurven zieht er dennoch – waagerecht gehalten von der aktiven Wankstabilisierung – fast wie ein Vollblut-Sportwagen. „Sportwagen“ – das ist ein Wort, das angesichts des Gewichts, des Volumens und der hohen Sitzposition nicht zu passen scheint. Und es passt auch nicht. Denn trotz allem ist nicht die Kurve ist das Revier des AMG. Es ist die Viertelmeile, der brachiale Spurt die Grade längs. Da benimmt sich ein GLE 350 d ganz anders. Der stellt das harmonischste Paket dar, die zivilisierte Mischung aus Vortrieb, Fahrkomfort, Fahrverhalten, Luxus und zeitgerechter Wirtschaftlichkeit in dieser Fahrzeugklasse. Der treibt einen nicht an seine Leistungsgrenzen. Er passt sich dem an, was sein Fahrer gerade von ihm erwartet. Ihm und allen seinen Mit-GLE helfen dabei die Sicherheits- und Komfortsysteme sowie die Konnektivitäts-Angebote, die man aus der E- und der S-Klasse kennt. Das wird auch im Coupé – der eigentlichen Neuheit bei den SUV von Mercedes-Benz – nicht anders sein. Neu ist aber dessen Form, wenn auch nicht einmalig. Wie sagte ein Mercedes-Benz-Manager: „Die Münchner haben unsere Idee schneller umgesetzt“. Der folgende Lacher nimmt der Diskussion um die Ähnlichkeit mit dem BMW X6 den Wind aus den Segeln und schafft Raum für die Aussage, der Stuttgarter sei doch trotz der ähnlichen Silhouette mit der heutzutage so oft zitierten „coupehaften“ Dachlinie viel schöner. Beim Münchner SUV-Coupé haben wir gelernt, dass man sich im Laufe der Zeit auch ungewöhnliche Formen schön sehen kann, aber auch, dass andere Märkte das ganz anders sehen. Dort werden das Coupé und auch die starken Benziner erfolgreicher sein als in Europas Westen. Die neue Vielfalt beim mittleren SUV der Marke wird helfen.