Neuer VW Passat
Ring frei zur Runde 8. Der Volkswagen Passat steigt nach 41 Jahren und nahezu 22 Millionen verkauften Exemplaren jetzt mit seiner achten Generation in den Ring, und nicht etwa als Facelift, sondern als komplett neues Auto, frisch dem Modularen Querbaukasten des Konzerns entstiegen. Mehr Radstand, bessere Proportionen, mehr Raum besser gestaltet, neue Motoren und viel mehr Assistenten an Bord als der Passat Sitzplätze hat. Für diese Runde sagt der Passat seinen Gegnern einen harten Fight an.
1973 hatte Audi noch ein wachsames Auge auf den ersten Volkswagen dieser Klasse mit einem modernen Konzept. Damals am Vierwaldstätter See ärgerte sich bei der Präsentation ein Volkswagen-Entwickler über das nicht vorhandene Klacken beim Betrieb des Blinker: „Haben die Ingolstädter das doch wieder rausgenommen.“ Heute wäre das undenkbar. Längst hat die damals noch als „Technische Hochschule Wolfsburg“ verspottete Entwicklungsabteilung das Sagen in allen technischen Belangen und vertritt bei den Modellen der Marke Volkswagen einen hohen Anspruch, wenn auch Entwicklungsvorstand Heinz-Jacob Neußer sich in Bescheidenheit übt, wenn er sagt, dieser Passat sei „etwas mehr, als was wir bisher hatten“.
Was Neußer damit sagen will, ist eine deutlich größere Nähe zu Premium-Fahrzeugen. Das zeigt auch der erste Eindruck, den wir uns jetzt – nach der ersten Vorstellung des Passat im Stand und dem ersten Auftritt vor Publikum dieser Tage in Paris – im sonnigen Sardinien erfahren konnten. So reif war ein Passat noch nie, so hochgerüstet auch nicht. Er hat in seiner Klasse einen Grad an Perfektion erreicht, wie man ihn unter den Volkswagen heute nur dem Golf zuerkennt.
Der Radstand wuchs um 79 Millimeter. Das hat gleich drei positive Effekte. Die Proportionen stimmen, weil die Vorderräder in Richtung Front wanderten und auch der unharmonisch lange Überhang hinten wegfällt. Der Passat wirkt als Limousine und erst recht als Variant gestreckter, weil auch die Höhe um 14 mm abnahm. Gepaart mit der neuen Sachlichkeit des Wolfsburger Designs entsteht so eine klare, sachliche und fast filigrane Ansicht. Die beiden trapezförmigen, in die hinteren Stoßfänger integrierten Auspuffblenden deuten sogar eine bisher gänzlich ungewohnte Eleganz an. Wer jemals den Passat als hausbacken nannte, wird sich nun korrigieren und über Begriffe wie „kühle nordische Schönheit“ nachdenken müssen.
Innen wiederholt sich der gediegen elegante Eindruck. Das komplett neue Armaturenbrett mit den durchgängigen Lüftungsöffnungen bringt die Breite in den größeren Innenraum und gleichzeitig einen zeitgemäßen Stil, der – obwohl neu – keinen Volkswagen-Fahrer vor Rätsel stellt: alles angeordnet wie gewohnt und vieles aus dem aktuellen Konzernbaukasten. Die Armaturen geben keinen Anlass zur Kritik – alles von gewohnt sauberer Graphik. Aus dem Vollen schöpft der Passat beim Thema Vernetzung: Mirrorlink gestattet die Einbindung eines Smartphones und Car Net holt alles an Bord, was Volkswagen und andere übers Internet fürs Infotainment bieten können. Die Auswahl an Assistenzsystemen sprengt sogar die Klassengrenzen. Der Front-Assist mit City-Notbremsfunktion samt Fußgängererkennung, der Emergency Assist mit automatischer Notbremsung, und ein neuer Stauassistenz, der Spur und Geschwindigkeit bis zum Tempo null regelt, sind längst noch nicht alles.
Auch vorwärts kann man nun automatisch einparken, beim Ausparken beobachtet ein Assistent den Querverkehr und bremst, wenn’s eng wird. Ein Trailer Assist sorgt für reibungsloses Einparken mit einem Anhänger und Aerea View zeigt das Auto von oben, so dass man beim Rangieren immer den Überblick behält. Und so weiter bis zur Verkehrszeichenerkennung, zum Fernlichtassistenten und einer intelligenten Lichtsteuerung. Das ist natürlich nicht alles im Serienumfang enthalten.
Der neue Passat wiegt bis zu 85 Kilogramm weniger als sein Vorgänger. Alle seine Motoren sind neu und mit Turboaufladung, Start-Stopp-System sowie Energierückgewinnung ausgestattet. Vier TSI- und fünf TDI-Motoren stehen zur Wahl von 120 PS bis 280 PS. Insgesamt sollen deren Verbrauchswerte bis zu einem Fünftel unter denen des bisherigen Modells liegen. Wem das noch zu viel ist, der kann sich für den Plug-in-Hybrid entscheiden, der im Schnitt mit 1,8 Litern (entsprechend 37 g Kohlendioxid/km) gewertet wird, weil er mehr als 50 km rein elektrisch fahren kann. Neben dem 280-PS-Benziner bildet ein Diesel die Spitze beim Leistungsangebot. Der Zwei-Liter-Biturbo leistet 240 PS und wird mit einem Normverbrauch von im Schnitt 5,1 Litern auf 100 km angegeben. Die Leistung reicht für 240 km/h bei der Limousine und für 238 km/h beim Variant. Beide treten übrigens mit dem Allradantrieb 4Motion und Doppelkupplungsgetriebe an. Wer sich bei den anderen Modellen lieber Handarbeit wünscht, kann die mit einer leichtgängigen und exakten Sechs-Gang-Schaltung bewältigen. Mit seinem adaptiven Fahrwerk bringt der Passat unerwartet viel Fahrspaß. Die sportlich ausgelegte Progressivlenkung und die in Kurven erstaunlich geringe Seitenneigung der Karosserie tragen dazu ebenso bei, wie das gelassene Abrollen und die geringen Fahrgeräusche.
Peter Schwerdtmann