Ohne strombasierte Kraftstoffe kein Klimaschutz

Strombasierte Kraftstoffe sind notwendig, ohne sie ist kein effektiver Klimaschutz möglich. Es sind ambitionierte Klimaschutzziele im Straßenverkehr und in der Schifffahrt zu erreichen. Im Luftverkehr sind sie sogar alternativlos. Vor allem für die Langstrecke, so Prof. Manfred Aigner, langjähriger Direktor des DLR-Instituts für Verbrennungstechnik und Experte auf dem Gebiet alternativer Kraftstoffe. Vor allem wenn der CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2030 um 65 Prozent gesenkt und bis 2045 Klimaneutralität erreicht werden soll. Es brauche diese Kraftstoffe zusätzlich zu alternativen Antrieben und allen anderen Verbesserungsmöglichkeiten.

Strombasierte Kraftstoffe – eine gute Idee?

Strombasierte Kraftstoffe – auch e-Fuels genannt – sind flüssige Kraftstoffe wie Benzin, Diesel oder Kerosin. Um sie herzustellen, braucht es den Kohlenstoff im Kohlendioxid oder CO2 aus der Luft und den Wasserstoff, der per Elektrolyse mit erneuerbarem Strom gewonnen wird.

„In vielen Bereichen der Mobilität, insbesondere in der Luftfahrt, werden wir langfristig auf große Mengen an flüssigen Energieträgern angewiesen sein“, weiß Prof. Aigner. „Deshalb benötigen wir strombasierte Kraftstoffe, um unsere Mobilität nachhaltiger zu gestalten und ehrgeizige Klimaschutzziele zu erreichen.“

Wir müssen – so Aigner – auch in Zukunft einen bedeutenden Anteil der Energie importieren. „Strombasierte Kraftstoffe sind dafür ideal. Denn sie lassen sich mit nur geringen Änderungen an der bestehenden Infrastruktur und über weite Distanzen transportieren und verteilen.“ Neben der Klimawirkung könnten sie auch eine insgesamt bessere Wirkung auf die Umwelt haben. Denn ihre chemische Zusammensetzung lasse sich so optimieren, dass beim Verbrennungsprozess beispielsweise kein Feinstaub mehr entstehe, sagt Prof. Aigner.

Reserve für die „Dunkelflaute“

Aigner sieht die Einsatzmöglichkeiten von e-Fuels allgemein in der Mobilität. Vor allem in der Luftfahrt, aber auch in der Schifffahrt oder für Fahrzeuge, die schwer sind und weite Distanzen überbrücken müssen. Seiner Überzeugung nach eignen sich die strombasierten Kraftstoffe auch als Reserve. Mit der zum Beispiel bei einer „Dunkelflaute“ zuverlässig Strom und Wärme bereitstellen könne. Also dann, wenn Wind und Sonne als Lieferanten für erneuerbare Energie längere Zeit ausfallen.

Als weiteren Vorteil beim Einsatz solcher Kraftstoffe nennt er, dass man für Transport, Verteilung und Speicherung weitgehend auf bereits vorhandene Infrastruktur und Fahr- beziehungsweise Flugzeuge zurückgreifen kann. Aigner: „Auch im Automobilbereich macht der Einsatz von strombasierten Kraftstoffen Sinn.“ Bis die ganze Pkw-Flotte von zurzeit knapp 58 Millionen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor allein in Deutschland auf Batterie- oder Brennstoffzellenfahrzeuge umgestellt ist, werde es Jahrzehnte dauern. „Um die Klimaziele in der gesetzten Frist zu erreichen, brauchen wir deshalb beides. Strombasierte Kraftstoffe und alternative Antriebe“, lässt er keinen Zweifel an seinen Prognosen.

Höhere Kosten lassen sich ausgleichen

Prof. Manfred Aigner

Der Experte sieht aber auch die Nachteile: „Strombasierte Kraftstoffe werden in der Produktion immer teurer bleiben als die fossilen.“ Aber die Mehrkosten ließen sich durch regulative Maßnahmen, wie eine CO2-Steuer, zumindest teilweise ausgleichen. Außerdem ließen sich bei der Herstellung noch viele Effizienzgewinne, zum Beispiel durch bessere und größere Anlagen, herausholen und so die Kosten senken.

Die Forschung und Entwicklung zu strombasierten Kraftstoffen läuft bereits seit einigen Jahren. Es gibt eine Vielzahl an Technologien und unterschiedliche Kraftstoffe, die im Labor ihre Funktionalität bewiesen haben. Viele Komponenten sind relativ weit entwickelt. Aktuell steht die weltweit größte Anlage in Werlte in Niedersachsen. Sie hat eine Kapazität von rund 350 Tonnen pro Jahr. In dieser Anlage wird ein synthetisches Rohöl hergestellt. Der abschließende Schritt, daraus einen einsatzfähigen Kraftstoff herzustellen, ist allerdings noch nicht erfolgt.

Biomasse alleine wird nicht reichen

Generell kann der für strombasierte Kraftstoffe benötigte Kohlenstoff auch aus Biomasse stammen. Hier ist die Entwicklung schon weiter. Jährlich stellt man rund zehn Millionen Tonnen Bio-Kraftstoffe her. Allerdings wird Biomasse allein als Quelle für Kohlenstoff nicht ausreichen. Gleichzeitig darf der Anbau von Biomasse für Kraftstoffe nicht in Konkurrenz zu Nahrungsmitteln stehen. In dieser Situation sieht es Aigner als wichtigen nächsten Schritt, die Verfahren aus dem Labor in einen industriellen Maßstab zu übertragen. Also Demonstrations- und Pilotanlagen zu bauen. Diese Anlagen sind nötig, um die Produktion auf ein industrielles Maß hochzufahren. „Denn nicht alles, was in kleinem Maßstab funktioniert, lässt sich eins zu eins hochskalieren. Das müssen wir jetzt sehr zeitnah umsetzen“, so der Professor. „Sonst schaffen wir es nicht, strombasierte Kraftstoffe bis 2030 effizient und in großtechnischem Maßstab herzustellen. Nur ist es möglich, dass strombasierte Kraftstoffe auch ihren Beitrag zum für den Klimaschutz leisten können.“

Klimaneutrale Luftfahrt ist möglich

DLR-Forschungsflugzeug Falcon im Abgasstrahl eines Airbus

Für die Luftfahrt sind strombasierte Kraftstoffe zu entwickeln, die zu 100 Prozent rein getankt werden können. Bislang ist der Anteil auf 50 Prozent beschränkt. Das spare nicht nur größere Mengen an CO2 ein, sondern reduziere auch die so genannten nicht-CO2-Effekte der Luftfahrt auf das Klima erheblich. „Derzeit sind die nicht-CO2-Effekte mindestens genauso hoch wie die Klimawirkung des ausgestoßenen CO2. Mit 100 Prozent strombasierten Kraftstoffen wäre eine weitgehend klimaneutrale Luftfahrt möglich“, sagt Aigner.

Natürlich hält der DLR-Direktor auch einen Vorschlag parat, wie sich sein Institut an der Entwicklung beteiligen kann. Mit der Entwicklungsplattform für Power-to-Liquid-Kraftstoffe (EPP) hat das DLR einen Vorschlag gemacht. Um gemeinsam mit Partnern aus Forschung und Industrie den gesamten Herstellungsprozess strombasierte Kraftstoffe zum Klimaschutz umfassend zu erproben und weiterzuentwickeln. Das reicht von den erneuerbaren Energien als Quelle, bis hin zur Zertifizierung und zum Einsatz der alternativen Kraftstoffe.

Prof. Aigner und sein Team können und wollen einen Weg aufzeigen, wie man strombasierte Kraftstoffe großflächig zum Einsatz bringen und so Klima und Umwelt schützen kann. Das DLR verfügt dafür über Know-how und Erfahrung entlang der gesamten Prozesskette. Das reicht von der Entwicklung von Kraftstoffen mit maximaler Leistung und minimaler Klimawirkung, über die techno-ökonomische Untersuchung und Entwicklung von Herstellungspfaden. Über die Integration ins gesamte Energiesystem bis hin zur Bewertung der Zertifizierungsfähigkeit, der Anwendung und Emissionsmessung. Beispielsweise mit Hilfe spezieller Forschungsflugzeuge des DLR.

aum