Oldtimer und Historie – So eigenwillig können Prinzen sein
Oldtimer und Historie – So eigenwillig können Prinzen sein. Wie NSU einst die Konstruktion einer selbsttragenden Karosserie lernt und Bertone um die Prinzen kämpfte, erzählt Hans-Peter Thyssen von Bornemisza, ein Journalist und Fachbuchautor, den ältere Kollegen noch unter dem Namen Hanns-Peter Rosellen kennen. Der 1941 geborene Dresdner war Redakteur bei folgenden Blättern: „Deutsche Auto-Zeitung“, der heutigen „Auto-Zeitung“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ und „Bunte“, zuletzt als geschäftsführender Redakteur. Viele Konstrukteure deutscher Nachkriegs-Mobile wurden von ihm persönlich befragt. Diese Recherchen führten nicht nur zu Fachbüchern, sondern auch zu Anekdoten aus den Jahren, als das Auto in Deutschland wieder laufen lernte.
Das Verhältnis zum Automobil war für die ehemalige schwäbische Motorradschmiede NSU nicht immer konfliktfrei. Die NSU-Kabine zeichneten Cheftechniker Albert Roder und seine Vertrauten. Bei dem Dreirad war dies einigermaßen gelungen, doch beim Prinz I, einem Vierradwagen, reichte das Wissen nicht aus. Der kleine Wagen musste – dem Stand der Technik entsprechend – eine selbsttragende Karosserie haben. Doch wie so etwas zu konstruieren sei, wusste niemand. Nach einigen Stunden des Überlegens entdeckten die NSU-Männer, dass im Nachbarort Heilbronn die Karosseriefabrik Gustav Drauz für die Kölner Ford-Werke die Karosserie zum Klein-Transporter FK-1000 baute. Und die war selbsttragend.
Auch bei Ford stand man einige Jahre vorher – 1953 – vor dem Dilemna. Die selbsttragende Karosserie zum Taunus 12 M hatte noch Detroit, das amerikanische Mutterhaus, entwickelt. Doch dann waren die Rheinländer auf sich selbst angewiesen. Aus Amerika kam nur der Tipp, man möge sich an die Techniker der französischen Karosseriefabrik Chausson wenden. Die Franzosen lehrten dann die Ford-Leute, wie eine selbsttragende Karosserie zu konstruieren war. Dies wendeten sie beim neuen FK 1000 an und weil die Blechhaut dazu aus Kapazitätsgründen bei Drauz in Heilbronn gebaut wurde, wiesen die Ford-Männer auch die Drauz-Techniker ein.
Als nun die ahnungslosen NSU-Männer vor dem Problem standen, handelten sie unbürokratisch: Freundschaften wurden geknüpft und nach Feierabend erhielten die NSU-Männer Nachhilfe-Unterricht. So schafften sie es, auch ihrem ersten Auto eine moderne Karosserie-Konstruktion zu geben. Nach der Premiere des kleinen Prinz I im Herbst 1957 kam schnell die Kritik der Händler. Die gerade Heckscheibe und die weit ums Eck gezogenen Seitenscheiben gefielen gar nicht.
Die Form des Prinz I war der Grund, 1958 den jungen Designer Klaus Luthe einzustellen; einen besonnenen, stillen Mann, der sofort Entwürfe fürs Heckteil zeichnete, die aber aus Geldmangel nie verwirklicht wurden. Seine nächste Aufgabe war es, einen Nachfolger für den Prinz 1-3 zu zeichnen. Die Prototypen für den Prinz 4 waren schon auf der Straße, als NSU entdeckte, dass in nahezu gleicher Form BMW seinen „700“ früher in Serie nehmen würde. So schwenkte NSU schnell um auf die Linie des neuen amerikanischen Chevrolet Corvair.
Parallel dazu entstand der „Sport-Prinz“, dessen Karosserielinien der berühmte italienische Designer Nuccio Bertone am 2.März 1959 lieferte. Umso erboster reagierten die Schwaben, als Nuccio Bertone auch diese Linien für ein Heckmotor-Coupe des Simca 1000 lieferte – in verbesserter Form. Sie witterten wegen dessen Ähnlichkeit zum Sport-Prinz Verrat und brachen alle Kontakte zu Bertone ab. Dennoch merkten sie bald, dass sie ohne die kühnen Entwürfe des Italieners nicht auskommen konnten. In ihrer Not schalteten sie Ignaz Vok ein. Er war italien-Importeur für NSU-Wagen. Offiziell bestellte er 1965 auf seinen Namen bei Bertone eine Kombi-Version des Prinz 4, die er dann postwendend nach Neckarsulm schickte. Zu einer Serie kam sie nicht, weil der Prinz 4 ohnehin hecklastig war und mit voller Ladung noch hecklastiger sein würde.
Bertone seinerseits wollte die Geschäftsverbindung zu NSU halten und wandelte das von ihm entworfenen Sport-Coupe auf eigene Initiative in ein Cabriolet und stellte es aus. Doch beleidigt nahmen die Schwaben von dem Sport-Cabriolet keine Kenntnis und bauten selbst den Sport-Prinz zu einem Cabriolet um, das dann erstmals einen Wankel-Motor erhielt und in Serie ging.
Nuccio Bertone unternahm einen zweiten Wiedergutmachungsversuch: Auf eigene Initiative und Kosten entwarf und baute er einen viersitzigen Sport-Prinz. Doch auch den beachteten die Schwaben nicht. Nach dem ganzen Hin und Her in Sachen Design blieben sie hausbacken. Klaus Luthe machte die Corvair-Form zur Blechhaut des größeren Prinz 1000. Auf dieselbe Weise entstand die weiteren Prinz-Modelle 1000, 1100 und 1200, die jeweils nur gestreckt und verbreitert wurden.
Erst als der Serienbau einer großen Wankel-Limousine anstand, griff Chefkonstrukteur Albert Roder nochmal selbst zum Zeichenstift. Er entwarf den Ro 80 höchstpersönlich. Der NSU K 70 mit seiner kantigen Form, der letztlich bei Volkswagen als VW K-70 in Serie ging, entstand ebenfalls im eigenen Haus. Der fleißige Klaus Luthe wechselte in die Schwestergesellschaft Audi und 1967 als Chefdesigner zu BMW.