Opel Corsa neu
Kleinwagen – Dieser Begriff hat Geschichte. Sie begann mit untermotorisierten, uninspirierten Blech- und Hartplastik-Kästen: quadratisch, praktisch, gut. Die aktuellen Fahrzeuge dieser Klasse haben einen besseren Sammelbegriff verdient. Das wurde uns jetzt wieder einmal klar, als wir den neuen Opel Corsa kennenlernten. Der hat nichts mehr von dem Mief des letzten Jahrtausends, sondern bietet Form und Fahrverhalten, Ambiente und Antriebe einer neuen Zeit, in der klein nicht mehr mit einfach, aber auch nicht mit billig gleichgesetzt werden kann.
Vermutlich wird der Lorbeerkranz für den besten Drei-Zylinder-Benziner weitergereicht werden müssen. Denn Opel hat mit seinem Exemplar, das in den beiden Leistungsstufen 90 PS und 115 PS angeboten wird, einen deutlichen Schritt nach vorne geschafft.
Der komplett neu entwickelte 1.0 Ecotec Direct Injection Turbo glänzt mit einem sehr ruhigen Lauf (Ausgleichswelle), spontanem Antritt, erstaunlich geringer Geräuschentwicklung und einem recht früh zur Verfügung stehendem Drehmoment von 170 Newtonmetern. Im Zusammenspiel mit dem ebenfalls neuen Sechs-Gang-Handschalter wird der leer rund 1.200 kg schwere Corsa zu einem fixen Kleinen, das zu bewegen, Spaß bringt. Er zieht gut durch, wird dabei auch bei hohen Drehzahlen nicht laut und lässt sich auf rund 1.000 Umdrehungen runterbummeln, also schaltfaul bewegen.
Den Sprint von 0 auf 100 km/h schafft er in 10.3 Sekunden, in der schwächeren Version in 11.9 Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit: 195 km/h bzw. 180 km/h. Beim Drehmoment liegen beide gleichauf. Beim durchschnittlichen Normverbrauch liegt der schwächere mit 3,9 Litern um 0,4 Liter pro 100 km besser.
Der Adam und der Adam Rocks dürfen sich ja auch schon von diesem Motor bewegen lassen. Andere werden folgen, zum Beispiel der kleinste Opel namens Karl, der für 2015 angekündigt ist. Außerdem plant Opel 17 neue Motoren bis 2018. Spätestens dann dürfte auch der jetzt überarbeite 1.4-Liter-Turbo mit 100 PS und 200 Nm Geschichte sein, der sich trotz des höheren Drehmoment nicht positiv vom Dreizylinder absetzen kann und bei hohen Drehzahlen laut wird.
Die Entscheidung zwischen Diesel und Benziner hat eine starke emotionale Komponente, fast so stark, wie beim Design. Der Corsa hält sich an die gewohnte Silhouette mit einer flachen Windschutzscheibe, kleinen Dreieckfenstern hinter der A-Säule und einem abfallendem Coupé-Heck mit entsprechender Fenstergraphik beim sportlicher wirkenden Dreitürer und einem geraden Dachverlauf, der auch hinten große Fensterflächen und ausreihend große Türen zulässt. Das neue Gesicht wird geprägt durch die übergreifende Motorhaube, den trapezförmigen Grill mit breiter Chromspange und die flachen, breiten Scheinwerfer mit dem typischen Winkel des LED-Tagfahrlichts. Die Seite zeigt die ebenfalls typische, von vorn nach hinten im Bogen abschwingende Sicke und eine Charakterlinie unterhalb der Fenster, beide deutlich schärfer als beim Opel Insignia, bei dem man den Bogen zum ersten Mal sah. Die breiten Schultern und die zweiteiligen, in die Heckklappe hineinreichenden Rückleuchten bringen Breite und einen satten Stand auf der Straße.
Überraschender als das Äußere fällt der Innenraum aus, von dem der Designer Kurt Beyer bei der Pressevorstellung in Hoechst sagte: „Das Interieur wird das beste seiner Klasse sein.“ Der erste Eindruck: viel Raum, sportlich wirkendes Gestühl, sanfte Rundungen, zweifarbige Verkleidungen, weiche Materialien und gute Graphik. Aufgeräumt haben die bei Opel mit dem Vorwurf, ihre Armaturentafeln enthielte zu viele Knöpfe. Jetzt ist alles übersichtlich, auch dank der Möglichkeit, vieles über den Sieben-Zoll-Touchscreen zu steuern. Von hier aus lassen sich auch die iOS- oder Android-Smartphones über das Opel-System „Intellink“-System einbinden.
Wer so heftig darum gekämpft hat, seinem Kleinwagen die Nähe zum alten Kleinwagen per Design und Materialien auszutreiben, der bietet die Komfort- und Sicherheitssysteme der Großen. Für den Corsa sind das nicht nur die Apps wie die Bringgo-App für die Navigation, sondern auch die Frontkamera mit den Funktionen Verkehrsschilderkennung, Spurhalte- und Fernlichtassistent, Abstandsanzeige und Frontkollisionswarner mit roten LED, die in die Windschutzscheibe gespiegelt werden, wenn’s zu eng wird, die Überwachung des toten Winkels und der Parkassistent, der sowohl längs als auch quer autonom einparken kann.
Und wie benimmt sich nun die fünfte Generation des schon seit 32 Jahren gebauten Modells Opel Corsa auf der Straße? Er fährt gut geradeaus. Seine sehr leichtgängige elektromechanische Lenkung sorgt für spontanes Einlenken, arbeitet präzise und gibt ausreichend Rückmeldung. Das Untersteuern hat man dem Fronttriebler fast abgewöhnt. Die Federung arbeitet eher auf der komfortablen Seite, auch wenn man sich eine bessere Reaktion auf kurze Stöße vorstellen kann. Bei einem wahrscheinlichen Anteil von 25 Prozent am Absatz wird der Opel Corsa das große Opel-Comeback auf ein neues Niveau heben können als die kleine, aber feine, souveräne, sportlich oder elegant wirkende Limousine, die so ganz andere Assoziationen auslöst als der muffige Begriff „Kleinwagen“.
Peter Schwerdtmann