Rolls-Royce Black Badge – Auto-Adel im Bann schwarzer Magie
Rolls-Royce Black Badge – Auto-Adel im Bann schwarzer Magie. Die Kundschaft von Rolls-Royce hat nicht nur ein gut gefülltes Bankkonto, sondern mitunter auch einen eigenwilligen Geschmack. Damit die britische Luxusmarke es nicht länger externen Tuning-Firmen überlassen muss, die „dunkle Seite“ ihrer Fahrzeuge heraus zu arbeiten, wurde die „Black-Badge“-Edition aufgelegt – eine Art Aggressionstraining für die Modelle Ghost und Wraith.
Würde man den Sprintern einer 4 x 100m-Staffel den Transport einer Sänfte anvertrauen? Oder einen Vespa-Motor auf ein Formel-1-Chassis montieren? Wohl kaum. Dennoch versuchen Auto-Hersteller immer wieder, luxuriösen Fahrkomfort und sportliche Dynamik in einem Fahrzeug zu vereinen und diesen Zielkonflikt einer überzeugenden Lösung näher zu bringen. Bei Rolls Royce heißt die Lösung Black Badge und bedeutet Trauerkleidung für das Markensymbol Spirit of Ecstasy, besser bekannt als „Emily“.
Wobei „Trauer“ natürlich nur eine gängige Interpretation ihrer schwarzen Robe ist. In früheren Jahrhunderten trug auch die Braut schwarz als Zeichen festlichster Hochzeits-Stimmung und heute ist Schwarz vielerorts das neue Gold geworden. Das schwarze Abzeichen („Black Badge“) ist bei dem Viertürer Ghost und dem Coupé Wraith ein als Negativ abgebildetes Markenlogo, das die beiden ineinander verschränkten R-Buchstaben als silberne Buchstaben auf schwarzem Grund zeigt. Weitere optische Merkmale sind exklusive 21 Zoll-Felgen, die aus Titan und Karbon gefertigt sind, schwarz lackierte Kühlerrahmen und Endrohre, großflächig verteilte Karbon-Applikationen im Innenraum und extravagante Farben für die Lederpolster.
Produktmanager Matt Butt hat nicht nur einen „großen Appetit bei den Kunden“ festgestellt, ihre Autos zu individualisieren, sondern auch den Wunsch nach mehr Leistung. Zwar kann der Ghost mit seinen bislang 420 kW/570 PS keinesfalls als untermotorisiert angesehen werden, doch für manchen Gangsta-Rapper war das wohl nicht genug. Die schwarze Magie von 450 kW/612 PS dürfte auch diese Kunden zufrieden stellen, weil gleichzeitig das Drehmoment um 60 Newtonmeter auf 840 Nm angehoben wurde. Der Wraith als stärkster Rolls-Royce aller Zeiten bleibt auf seinem Niveau von 465 kW/632 PS, bekommt aber eine Steigerung der Durchzugskraft auf 870 Newtonmeter.
Dass Rolls Royce so schwarz sieht, hat gute Gründe. Die Kundschaft ist mit durchschnittlich 46 Jahren nicht die Allerjüngste und hat einen Hang zum chauffiert werden. An die gut betuchten jungen Selbstfahrer kommt man nur heran, wenn man etwas Lifestyliges mit sportlicher Attitüde im Sortiment hat. „Wir haben gesehen, dass gerade in Arabien und den USA einige Kunden nachträglich ihre Autos tiefschwarz eingekleidet haben“, weiß Matt Butt, oft geschieht dies unter Inanspruchnahme kleiner Spezialausrüster und nicht immer lässt das Ergebnis Geschmackssicherheit erkennen.
Die Entdeckung der dunklen Seite der Edelmarke birgt außer technischen auch eine kulturelle Überraschung: Das sonst so traditionsbewusste Haus kann historische Vorbilder für die Schwarzmalerei nicht vorweisen. Mit der vergangenes Jahr auf dem Genfer Autosalon erstmals gezeigten Verdunkelung der Produktlinien betrat Rolls-Royce marketingtechnisches Neuland. Und wenn auch sonst die Maxime gilt, jeder Kundenwunsch könne erfüllt werden, soll es zum Beispiel die Felgen nur exklusiv für die Black-Badge-Modelle geben.
Die Modifikationen der Ausstattung und des 6.6 Liter-Zwölfzylinders werden ergänzt durch Feintuning an Gaspedal- und Getriebeabstimmung, die Acht-Gang-Automatik bekam einen „Low“-Modus, der bei Beschleunigung in niedrigen Gängen diesen länger hält und bis maximal 6.000 Touren ausdreht. Und sollte es noch eines weiteren Beweises für die Sportlichkeit des Wraith bedürfen, berichtet Matt Butt vom „Festival of Speed“ im englischen Goodwood. Beim Rolls-Royce-Heimspiel ließ das Coupé im traditionellen Bergauf-Rennen so prominente Konkurrenz wie Jaguar, Aston Martin oder McLaren mit qualmenden Reifen hinter sich.
So wie ein Gewichtheber nur bedingt zum Bodenturner taugt, so wenig wird aus einem Rolls-Royce ein Rennwagen. Die Maßstäbe von souveräner Eleganz und kompromisslosem Komfort müssen markenkonform bleiben, so dass sich die Straffung von Fahrwerk oder die grimmige Akustik der Abgasanlage in Grenzen halten. Auch zu einer Steigerung der Höchstgeschwindigkeit über die Marke von 250 km/h hinaus konnte man sich nicht durchringen, obwohl es als sicher gelten kann, dass der Kundschaft dies sehr willkommen gewesen wäre. Die Lenkung ist direkter ausgelegt, wobei der Wraith wegen des kürzeren Radstandes scharfe Kehren eine Idee williger goutiert. Das mit 41 Zentimetern Durchmesser gewohnt üppig dimensionierte Lenkrad meldet unverzüglich, wenn beim kräftigen Tritt aufs Gaspedal die Regelsysteme alle Schaltkreise voll zu tun haben, den 2.5 Tonnen-Koloss in der Spur zu halten. Auf Allradantrieb für ihre Kostbarkeiten müssen die wilden Reichen noch etwas warten.
Auf einen Anteil von etwa 15 Prozent der Produktion sei die Planung von schwarzen Schafen in der Rolls-Herde ausgelegt, sagt Matt Butt. Das wären bei einer Kapazität von 2.500 Ghost und Wraith jährlich etwa 375 Exemplare. Weder die herrschaftliche Chauffeurs-Limousine Phantom, noch das Cabriolet Dawn sind nach derzeitigem Stand für eine Black-Badge-Verkleidung vorgesehen.
Was für die potentiellen Kunden kaum von Belang ist, muss den Chronisten der Kfz-Welt durchaus interessieren: Verbrauch und Anschaffungspreis. Für beide Fahrzeuge gibt der Hersteller den Durchschnittsverbrauch nach EU-Norm mit 14.6 Litern an, bei Testfahrten einschließlich gelegentlicher Vollgas-Intermezzi auf den beschränkungsfreien Teilen des Berliner Rings dürfen es gern auch mal 17 Liter sein. In Deutschland kostet die dunkle Seite eines Ghost 324.870 Euro, für den Wraith sind 339.150 Euro zu veranschlagen.
afb/amp