Royal Enfield Scram 411: Motorrad in Reinkultur
Die Royal Enfield Scram 411 entschleunigt und erdet, sie bedeutet Motorrad fahren in Reinkultur. Mit einem Schuss Esprit und Lifestyle-Attitüde – dafür steht die Scram 411. Keine Fahrmodi, keine elektronischen Fahrhilfen außer Zwei-Kanal-ABS, kein tiefschürfendes Bordmenü. Die Bedienung ist simpel, die Zahl der Schalter und Taster übersichtlich, das Fahrverhalten gutmütig. Aufsteigen, Gas geben, happy sein. Die anspruchslose, aber auffällige Scram 411 passt mit ihrer unaufgeregten Art gleichermaßen nach London, Neu-Delhi, Tokio oder eben ins bayerische Hopfenparadies Pfaffenhofen an der Ilm, wohin Royal Enfield zur Fahrpräsentation lud.
Basis der Scram ist die Enfield Himalayan. Die robuste Geländemaschine ist in ihrem Heimatland Indien das Nonplusultra, wenn es darum geht, irgendwo über Stock und Stein ans Ziel zu kommen. Auch hierzulande hat sie viele Fans. Mit einem Gewicht von 199 fahrbereiten Kilogramm ist sie das ideale Motorrad, um in die hinterste Ecke der Welt zu gelangen. Dort wo einem nicht unbedingt jemand beim Aufrichten seines Motorrads helfen kann. Vor allem weibliche Globetrotter schätzen die brave Himalayan dafür.
Alltags-Abenteuer statt Atlas-Gebirge
Der Scram 411 ist fahrbereit sogar noch einmal sieben Kilo leichter. Und sie sucht das Abenteuer im Alltag statt im Atlas-Gebirge. Leichte Offroad-Skills reichen ihr vollkommen, um Fahrer(innen) glücklich zu machen. Ihr Zuhause ist der „Urban Jungle“. Der Weg zum Office oder Einkauf, zum Eiscafé oder sonst wohin. Am Wochenende darf dann gern auch mal ein bisschen Schotter unter die schmalen Multi-Purpose-Reifen kommen. Ist ja schließlich ein Scrambler.
Die Sitzposition ist auch für Menschen um die 1,80 Meter fast perfekt. Aufrecht und entspannt reckt man die Nase in den Wind. Und wähnt sich irgendwie schneller, als man ist. Das macht die Scram 411 zum Triumph Spitfire unter den Motorrädern. 60 km/h fühlen sich an wie 100, 120 km/h fast wie 180. Schnell sein ist auch Kopfsache. Die fünf Gänge rasten sauber ein. Zwischen dem vierten und fünften Gang – so bei 80 – wirkt die Scram geradezu spritzig für ihre Verhältnisse. Ein Wohlfühlmoment für Mensch und Maschine. Überholvorgänge an Steigungen sollte man sich aber gut überlegen. Wozu der Stress? Die Scram ist eher Omm als Brumm. Sollen doch die anderen über die Gegenfahrbahn schießen.
Dafür wendet die Royal Enfield Scram 411 – ganz Motorrad in Reinkultur – mangels Masse quasi auf der Stelle. Fährt nie schneller als das Autobahnrichttempo und legt äußerst genügsame Trinkgewohnheiten an den Tag. Rührige 3,2 Liter 100 km gibt Royal Enfield als Verbrauch an. Bei der ersten offiziellen Testfahrt im Hopfenparadies an der Ilm kam das fast genau hin. Exakt bestimmen ließ sich der Verbrauch mangels adäquatem Bordcomputermenü nicht, aber: 15 Liter passen in den Tank, rund 150 Kilometer sind wir gefahren, und am Ende fehlte gut ein Drittel des Kraftstoffs. Kommt also hin, so Daumen mal π.
Wackerer Einzylinder
Rahmen, Fahrwerkskomponenten und den wackeren Einzylinder hat Royal Enfield eins zu eins für die Scram übernommen. Der Namenszusatz steht für den Hubraum: 411 Kubikzentimeter. 190 mm Federweg vorne, 180 mm hinten, Teleskopgabel und Zentralfederbein. Fahrwerkstechnisch geben sich die zweieiigen Zwillinge so gut wie nichts. Auch die sanft agierende Bremsanlage ist gleich. Wie die Himalayan und der kleine Cruiser Meteor gibt es ein kleines Rundinstrument für die serienmäßige Turn-by-Turn-Navigation. Die Hinweise erfolgen Google-Maps-gestützt übers gekoppelte Smartphone. Die passende Royal-Enfield-App gibt es kostenlos in den gängigen Download-Stores.
Links daneben sitzt das ebenfalls runde, aber deutlich größere Instrument für die Geschwindigkeits- und Tankfüllstandanzeige. Drehzahlmesser? Wozu? Den Schaltzeitpunkt hört man. Der Sound des Einzylinders ist herrlich ehrlich. Kernig, aber nie aufdringlich. Wie das gesamte Bike. Den H4-Scheinwerfer fasst eine gusseiserne Lampenverkleidung ein. Das ist stilistisch stringent. Gleiches gilt fürs 19-Zoll-Vorderrad, das die 21-Zoll-Felge der Himalayan ersetzt, reicht für einen Urban Scrambler.
Urban Plates
Rechts und links unterm Tank hat Royal Enfield „Urban Plates“ platziert. So heißen die bunten seitlichen Anbauteile vorn am Rahmen. Einziger Zweck: Farbe ins Spiel bringen. Rot, Gelb, Blau oder Grau-Türkis. Eine optisches Gimmick, mehr nicht. Das Fahrerdreieck wurde gegenüber der Himalayan leicht überarbeitet. Längere Passagen im Stehen wird der Scram-Fahrer nicht zurücklegen. Die Griffe befinden sich etwas tiefer als bei der Himalayan. Auch die Sitzhöhe hat Royal Enfield ein wenig auf 795 mm abgesenkt. Das durchgehende Polster ist leicht gerippt, bietet problemlos Platz für zwei.
„Die meisten Scrambler-Motorräder konzentrieren sich nur auf Ästhetik und Aussehen“, sagt Mark Wells, Chief of Design bei Royal Enfield. „Wir waren fest entschlossen, ein Motorrad zu schaffen, das sich durch sein Design und seine Zweckbestimmung auszeichnet. Und das Beste aus den Möglichkeiten der rauen Straße in die Stadt bringt.“ Und das für vergleichsweise kleines Geld: Faire 4.990 Euro ruft Royal Enfield für seinen Adventure-Crossover auf. Wer eine der beiden Premium-Varianten („Silver Spirit“, „White Flame“) begehrt, zahlt 200 Euro mehr. Macht ab 5.190 Euro. Genau so viel kostet die Basis-Himalayan auch.
RB, cen
Daten Royal Enfield Scram 411
Motor: 1-Zylinder, Viertakt, 411 ccm
Leistung: 18 kW/24 PS bei 6500 U/min
Drehmoment: 32 Nm bei 4.250 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 127 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h: k.A.
Getriebe: fünf Gänge
Antrieb: Kette
Tankinhalt: 15 Liter
Sitzhöhe: 795 mm
Gewicht: 185 kg (trocken)
Normverbrauch: 3,2 l/100 km
CO2-Emissionen: 73 g/km
Testverbrauch: ca. 3,5 l/100 km
Bereifung: 100/90-19 (v.), 120/90-17 (h.)
Preis: ab 4.990 Euro (Lieferkosten je nach Händler)