Volvo V90 – Nach allen Seiten offen
Volvo V90 – Nach allen Seiten offen. Mit seinem eleganten Design überstrahlt der Volvo V90 die beiden anderen Topmodelle der Baureihe, das SUV Volvo XC90 und selbst die Limousine Volvo S90. Das wird den Freunden großer Kombis gut gefallen, zumal zum gelungen Äußeren noch das noch auffälligere skandinavische Design des Innenraums kommt. Das Design lässt keinen Zweifel daran: Die Volvos der 90er Baureihe wollen im Wettbewerbsumfeld eine herausgehobene Position einnehmen, allen voran der Kombi V90.
Zwei Turbo-Benziner mit Direkteinspritzeung und drei Common-Rail-Dieselmotoren mit einem Leistungsspektrum von 110 kW/150 PS bis 235 kW/320 PS stehen zur Wahl – alles Vierzylinder mit zwei Litern Hubraum. Später soll noch ein Drei-Zylinder-Diesel mit 110 kW/150 PS die Reihe der Drive-E-Motoren abrunden. Die beiden Top-Motorisierungen (T6 AWD und D5 AWD) werden ausschließlich in Verbindung mit Allradantrieb und Acht-Gang-Automatikgetriebe angeboten, für den D3 und den D4 sind der Allradantrieb und das Automatikgetriebe als Option optional verfügbar.
Wir kennen die Vierzylinder, fanden den 320 PS-Benziner beeindruckend, sehen aber in dem D5 mit 187 kW/235 PS in Verbindung mit der Automatik und dem Allradantrieb das gelungenste Paket. Zwar klingt der Diesel für die Außenwelt ein wenig rau, innen aber säuselt er im Hintergrund ein angenehmes Lied. Mit der neuen Power-Pulse-Technik kommt der Gedanke an ein Turboloch gar nicht erst auf. Mit Druckluft aus einem Speicher ist die sonst bei Turbodieseln nicht gerade seltene Anfahrschwäche wie weggeblasen. So wird dieser Antriebsstrang mit 480 Nm Drehmoment zu dem, der dem Volvo-Ziel von der gelassenen Souveränität am nächsten kommt. Und die Fahrleistungen stimmen auch: 240 km/h Höchstgeschwindigkeit, eine Beschleunigung in 7.2 Sekunden für den Spurt von 0 auf 100 km/h passen zu diesem Ziel ebenso wie der durchschnittliche Normverbrauch von 4.9 Litern.
Die Marke Volvo verpflichtet auch die 90ger Baureihe zu einem vorbildlich hohen Maß an Sicherheit. Zum Serienumfang zählen das Volvo City Safety System, das alle Geschwindigkeitsbereiche abdeckt und bei Tag und Nacht gleichermaßen funktioniert, der neuen Fahrspur- und Fahrbahnranderkennung Road Edge Detection oder der Run-off Road Protection für erhöhten Insassenschutz bei einem Abkommen von der Fahrbahn. Unter dem Begriff Intelli-Safe-Assistent werden die Systeme zusammengefasst, die für eine entspannte und komfortable Fahrt sorgen. Dazu gehören auch die adaptive Geschwindigkeits-Regelanlage mit Abstandsautomatik, eine Verkehrszeichen-Erkennung und der aktive Spurhalte-Assistenten. Das System Intelli-Safe-Surround umfasst das Blind Spot Information System (BLIS) inklusive Lane Change Merge Aid (LCMA) zur Überwachung des toten Winkels, den Cross Traffic Alert, der beim Rückwärtsfahren vor kreuzendem Verkehr warnt, und die Heckaufprallabschwächung, die zusätzlichen Schutz bei einem Heckaufprall bietet.
Der Pilot Assist II ermöglicht ein teilautonomes Fahren mit bis zu 130 km/h. Volvo sieht sich damit auf dem Weg zum autonomen Fahren auf der Stufe 2, will die Stufe 3 überspringen und dann wieder bei der Stufe 4, dem autonomen Fahren, groß einsteigen. Dann bleibt Zeit genug, die kleinen Ecken und Kanten beim der Stufe-2-Systeme noch ein bisschen abzuschleifen.
Das Design befindet sich – im übertragenen Sinne – bereits auf Stufe 4. Die aufrecht stehende Frontpartie, der „Wasserfall“-Kühlergrill und die unverwechselbaren LED-Tagfahrleuchten prägen die Front. Dabei lassen die gestreckten Proportionen mit kurzen Überhänge und die hohe Schulterlinie vergessen, dass der Betrachter es mit einem fast fünf Meter langen Auto zu tun hat. Er wirkt nicht gerade zierlich, aber besonders mit 20 Zoll-Reifen wirkt er überschaubar groß. Was eine gute Verteilung der Massen so alles ausmacht: Bei der Limousine scheint uns der Grill zu groß, aber angesichts des zusätzlichen Volumens am Heck wirkt der Grill beim Kombi gerade richtig. Auch beim Blick auf das Heck drängt sich der Eindruck auf, die Designer hätten zuerst den Kombi gestaltet und danach die Limousine.
Wer im Volvo sitzt, den interessiert das weniger als das Ambiente des Innenraums. Die Sitze sind in der Grundausstattung als Komfortsitze ausgeführt und optional als Sportsitze verfügbar. Die Rückenlehnen kommen ohne dicke Polster aus. Mit ihrer schlanken Form tragen sie zum guten Raumangebot vorn und hinten bei. Trotz der großen Maße des Passagierraums bleibt noch Platz für einen ordentlichen Gepäckraum von 560 Litern, der sich mit den üblichen Umklappverfahren auf einen Laderaum von 1.536 Litern mit ebenem Boden und mehr als einem Meter Ladebreite verändern lässt. Mäßig fällt allerdings beim D5 die Zuladung mit nur 435 kg aus. Darüber mag in manchen Fällen die maximale Anhängelast von 2.200 kg hinwegtrösten.
Das skandinavisch kultivierte Ambiente kann sich auf Armaturentafel und Mittelkonsole ausbreiten, weil das Bedienkonzept nahezu ohne Knöpfe und Schalter auskommt. Stattdessen wird ein 9,2 Zoll großer Bildschirm im Hochformat zum zentralen Bedienelement. Dieser wie ein Tablet funktionierende Touchscreen im Zentrum der Mittelkonsole, der ab der Ausstattung mittleren Ausstattung „Momentum“ an Bord ist, bildet das Herzstück des Infotainment-Systems und vereinfacht nicht nur die Bedienung, sondern bietet auch cloudbasierte Apps. Über „Apple CarPlay“ und zukünftig auch „Android Auto“ können Smartphones und Tablets integriert werden. Sinnvoll auch das Head-up-Display im Blickfeld des Fahrers.
Das Fahrwerk wurde für die 90er neu entwickelt: vorn Doppelquerlenker, hinten eine Integral-Achse Querblattfeder aus Verbundwerkstoff. Unser D5-Exemplar hatte eine adaptive Luftfederung für die Hinterachse in Verbindung mit Niveauregulierung eingebaut. Die Luftfeder und das mit fast zwei Tonnen größere Gewicht des D5 waren wohl der Grund, dass unser V90 besser und leiser mit kurzen Stößen der Fahrbahn fertig wurde. In den Varianten mit permanentem Allradantrieb verteilt das elektronisch gesteuerte System die Motorleistung je nach Fahrsituation variabel auf beide Achsen. Dafür sorgt die kompakte und leichte elektronisch gesteuerte Lamellenkupplung der aktuellen Generation von Borg Warner.
Damit stößt der Volvo V90 mitten ins Herz des vergleichbaren Segments der deutschen Premiumanbieter vor. Konzept, Außendesign und Innenraumgestaltung rechtfertigen das. Aber besonders bei den Assistenzsystemen und deren Arbeitsweise bleibt noch Spielraum für Feinarbeit. Das wird alle die nicht stören, die einen Volvo statt eines deutschen Premiummodells fahren wollen. So richtig vergleichbar mit denen wollen die Schweden auch gar nicht sein. Es lebe der kleine Unterschied. Der macht das Geschäft. Volvo ist so nach allen Seiten offen – für Aufsteiger, Umsteiger und Absteiger.
Sm/amp