Vor 50 Jahren ließ Mazda die Kolben kreisen
Vor 50 Jahren ließ Mazda die Kolben kreisen. Der 30. Mai 1967 schrieb Technikgeschichte: An jenem Tag vor 50 Jahren präsentierte Mazda den legendären Cosmo Sport 110 S als erstes Modell der Marke mit einem nach dem Kreiskolben-Prinzip arbeitenden Triebwerk und zugleich das weltweit erste Serienfahrzeug mit Zwei-Scheiben-Kreiskolbenmotor. Insgesamt hat das Unternehmen seit der Präsentation des Cosmo Sport weltweit rund zwei Millionen Fahrzeuge mit dem von Felix Wankel erfundenen Motorenprinzip verkauft.
Ein Jahrzehnt nachdem der Erfinder Felix Wankel erstmals Kreiskolben- beziehungsweise Wankelmotoren bei dem deutschen Hersteller NSU auf dem Prüfstand testete, wurde dieses Antriebsprinzip ab 1967 von Mazda in Serienmodellen übernommen: Rotierende Scheiben ersetzen die Hubkolben, sorgen für vibrationsarmer Laufruhe, geringere Lärmemissionen, platzsparender Bauweise und geringeres Gewicht. Die Geschichte des Rotationsantriebs bei Mazda begann 1961. Damals schloss das Unternehmen einen Lizenzvertrag mit NSU über den Kreiskolbenmotor und entwickelte diesen dann in der 1963 eigens gegründeten „Mazda Rotary Engine Research Division“ zur Serienreife. Viele große Automobilhersteller investierten in jener Zeit beträchtliche Forschungsgelder in Kreiskolbenmotoren, kapitulierten dann aber meistens vor den besonderen technischen Herausforderungen. Anfangs waren vor allem die Probleme kurzlebiger Dichtleisten und höherer spezifischer Verbrauchswerte zu lösen, und die Fertigungsqualität der Materialien stellt besondere Ansprüche.
Durch das Hinterfragen allgemein akzeptierter Prinzipien gelang es Mazda, die zugrunde liegenden Technologien so zu optimieren, dass die Japaner bis heute einziger Hersteller sind, die Kreiskolbenmotoren in Millionenauflage produzieren. Passend zum revolutionären Motor wirkte auch der Mazda Cosmo Sport 110 S wie ein Fahrzeug von einem anderen Stern. Zunächst feierte die Fachwelt den Mazda Cosmo Sport 110 S als spektakulärste seriennahe Studie der Tokyo Motor Show 1964, für weitere weltweite Schlagzeilen sorgte der schnelle Zweisitzer dann zum Produktionsstart am 30. Mai 1967 als erstes Automobil mit Zwei-Scheiben-Kreiskolbenmotor. Zeitgenössische Medien verglichen das Gefühl an Bord eher mit Fliegen als mit Fahren, nicht zuletzt durch die turbinenartige Laufkultur des Motors.
Der Cosmo Sport 110 S war durch sein spektakuläres Design und erfolgreiche Motorsporteinsätze der perfekte Imageträger für die neue Technologie. Schon beim allerersten Rennen, dem über 84 Stunden gehenden Marathon de la Route auf dem Nürburgring, sicherte sich das Auto einen respektablen vierten Platz. Das war der Auftakt für jeweils über 100 Siege von Mazda mit Kreiskolben-Motoren in der japanischen Tourenwagen-Meisterschaft und in der amerikanischen IMSA-Serie. Den größten Triumph errang Mazda 1991 in Le Mans. Dort gewann der 787 B mit Vier-Scheiben-Kreiskolbenmotor als erstes und bis heute einziges Fahrzeug eines asiatischen Herstellers das legendäre Langstreckenrennen. Auch die Mazda Serienfahrzeuge mit Kreiskolben-Motoren fuhren von Erfolg zu Erfolg.
Anfänglich war der kompakt bauende Motor besonders für Sportwagen wie den Cosmo Sport 110 S mit flacher, keilförmiger Front vorgesehen. Aber es kam anders: In den USA hatte schon Anfang der 1970er-Jahre jeder zweite Mazda einen Wankelmotor unter der Haube, dies in den Karosserieversionen Limousine, Coupé und Kombi, wie die Modelle RX-2, RX-3, und RX-4 zeigten. Hinzu kam in der Mazda B-Serie ein einzigartiger Rotary-Pick-up und mit dem 26-sitzigen Parkway debütierte der erste Reisebus mit Kreiskolbenmotor. Einzigartig war auch der Mazda Roadpacer AP, der mit Kreiskolbenmotor in Japan in der konservativen Klasse staatstragender Repräsentationslimousine Aufsehen erregte.
In Deutschland war es 1973 das RX-3-Coupé, das die Rolle des exklusiven Spitzenmodells mit Kreiskolben-Motor übernahm und 1976 durch den RX-5 abgelöst wurde. Drei Jahre später startete dann mit dem RX-7 ein Sportwagen, der in drei Generationen weltweit in über 800 000 Einheiten verkauft wurde. Ebenfalls exzeptionell war der vor allem für den japanischen Markt konzipierte Eunos Cosmo, der ab 1990 als erstes Serienfahrzeug mit Drei-Scheiben-Kreiskolbenmotor gegen Coupés mit V8- und V12-Motoren antrat.
In eine gänzlich neue Ära startete Mazda 2003 mit dem Front-/Mittelmotorsportwagen RX-8, der sich mit vier gegenläufig öffnenden Türen ohne B-Säulen an keine Konventionen hielt. Gleich mehrfach gewann das gegenüber dem Vorgänger um 30 Prozent leichtere und im Verbrauch um zwölf Prozent sparsamere Renesis genannte neue Aggregat den Award „International Engine of the Year“. Zahlreiche weitere Ehrungen und 40 Weltrekorde für den RX-8 bei einem Langstreckentest folgten. Nochmals effizienter und leistungsfähiger wurde der Motor durch 2009 erfolgte Modifikationen mit einem zusätzlichen Klopfsensor zur Verbrennungskontrolle, den Mazda zum ersten Mal in einem Modell einsetzte. Die Bezeichnung Renesis setzte sich aus der Abkürzung RE für „Rotary Engine“ und der Schöpfungsgeschichte „Genesis“ zusammen.
Das Potential der Rotary-Technik für alternative Antriebe demonstrierte eine ganze Flotte von Mazda RX-8 Hydrogen RE und Mazda Premacy bzw. Mazda5 RE, die ab 2006 mit Wasserstoffantrieb in Japan und Norwegen getestet wurden.
Die Produktion des RX-8 endete im Jahr 2012 und damit vorerst auch die Geschichte der Serien-Wankelautos. Immer wieder zeigt Mazda aber Concept Cars mit Kreiskolbenmotor. So präsentierte der japanische Automobilhersteller zuletzt auf der Tokyo Motor Show 2015 den RX-Vision. Angetrieben wird die Sportwagenstudie von einem Kreiskolbenmotor der nächsten Generation.
Für alle Fans des Wankel-Motors wird ab 1. Juni 2017 auf dem Youtube-Kanal von Mazda die Restaurierung eines Mazda Cosmo Sport 110 S gezeigt. Das serielle Format „Mazda Garage“ wird von Det Müller und Cyndie Allemann, bekannt aus „Grip –Das Motormagazin“ moderiert. Darüber hinaus können nahezu alle Mazda-Modelle mit Kreiskolbenmotor – inklusive des Jubilars Mazda Cosmo – seit Mitte Mai bei Mazda Classic im Automobil Museum Frey in Augsburg besichtigt werden.
jri/amp