VW T6
Vereinzelt wird es eines dritten Blicks bedürfen, wenn man den Volkswagen T6 erkennen und vom Vorgänger unterscheiden will. Zu sehr folgt die Form der Funktion, zu sehr muss die Neukonzeption eines Erfolgsmodells darauf gerichtet sein, die Kunden nicht durch allzu viele Veränderungen zu erschrecken. Die „Generation Six“ des Transporters funktioniert deshalb nicht anders als ein Golf – und doch birgt der Neue Überraschendes.
Zwei scharfe Bügelfalten auf der Fronthaube zum Beispiel. Eine elektrische Heckklappe zum Beispiel, die allerdings erst ab Herbst den Kunden das Beladen erleichtert. Und eine Zwei-Farb-Lackierung zum Beispiel, die in vier verschiedenen Tönen als rollende Reminiszenz an das T2-Sondermodell „Samba“ wirkt.
Rund zwei Drittel der VW-Transporter – als „Bulli“ bekannt und legendär – werden in Nutzfahrzeug-Konfiguration verkauft. Händlern, Handwerkern, Logistik- und Service-Unternehmen dienen sie also zum Geldverdienen. Das Prädikat „Businessmobil“ haben sie sich daher redlich verdient, auch wenn die erste Fahrt nicht „as usual“, also wie gewöhnlich verlief. Der T6 liefert seinen Nutzern nämlich vieles, was bisher den Insassen von reinen Personenwagen vorbehalten war.
Dazu gehört die große Spreizung des Leistungsangebots. Ähnlich wie bei vielen Pkw-Produkten auch bietet das Top-Modell der Baureihe mehr als doppelt soviel Pferdestärken an, wie die Einstiegsversion. Beim T6 lauten Eckdaten 84 PS für den Basis-Diesel und 204 PS für die beiden stärksten Aggregate der Diesel- und Ottomotoren. Vier TDI- und zwei TSI-Antriebe umfasst das Angebot.
Gleichzeitig können noch zwei verschiedene Radstände, zwei Dachhöhen sowie der Allradantrieb 4Motion bestellt werden. Zusammen mit vier verschiedenen Ausstattungslinien verspricht VW Kombinationsmöglichkeiten für mehr als 500 verschiedene Fahrzeugvarianten. Jeder einzelnen Ausführung schreibt der Hersteller eine wichtige Eigenschaft zu – schonender mit der Geldbörse des Käufers umzugehen als die Vorgänger es taten. Die neuen Euro-6-Motoren verbrauchen bis zu 15 Prozent weniger Kraftstoff, was bei den 75 und 110 kW starken Blue-Motion-Motoren in einem Durchschnittswert von 5,5 Litern je 100 Kilometer gipfelt.
Was den Antrieb des Kasten- oder Pritschenwagens, des neunsitzigen Kleinbusses oder der beliebten Großraum-Limousine angeht, sind die Sympathien klar verteilt: Nur einer von hundert Bullis wird mit einem Benzinmotor bestellt. Der stärkste Selbstzünder bietet außer 204 PS auch noch 450 Newtonmeter maximales Drehmoment, das bereits ab 1.400 Umdrehungen anliegt. So befeuert knackt der T6-Bus erstmals in seiner mehr als 65-jährigen Geschichte die 200 km/h-Marke. Während die Nutzfahrzeuge in der Regel mit Fünf- oder Sechs-Gang-Handschaltung ausgeliefert werden, greifen komfortbedürftige Privat-Nutzer häufig zur Doppel-Kupplungs-Automatik. Das geschmeidige Sieben-Gang-DSG wurde so verstärkt, dass es auch die enormen Drehmomente des Zweiliter-Topdiesels übertragen kann.
Spürbar verbessert ist die Traktionsfähigkeit der Vorderachse. Kunden hatten immer wieder moniert, dass herzhaftes Anfahren zu einem Radiereffekt der Räder führt. Bei dieser Testfahrt war nichts mehr davon zu spüren. Der Dynamik-Gewinn zog weitere Änderungen nach sich. Das Fahrwerk wurde angepasst, die Insassen erleben ihre Beförderung als noch näher am Pkw-Standard. Als Option ist ein verstellbares Fahrwerk lieferbar, das den sportlich orientierten Bulli-Fahrern auf Knopfdruck ein griffigeres und strafferes Auto beschert. Den gewachsenen Fähigkeiten in Längs- und Querbeschleunigung entsprechend wurden die Sitze angepasst, die nun mehr Seitenführung gewährleisten.
Entsprechend den Bedürfnissen der heterogenen Kundschaft präsentiert sich die Innenarchitektur stark verändert. Während im Kleinlaster die schlichte Eleganz strapazierfähiger Oberflächen und offener Ablagen dominiert, spiegelt das Interieur des Sondermodells „Generation Six“ am Armaturenbrett den Außenlack wider und die Mittelkonsole hat eine zusätzliche verschließbare Kleinteilbox. Laut Chefentwickler Hans-Joachim Rothenpieler ist der Bulli „so vielfältig wie seine Kundschaft“. Das Arsenal an Komfort- und Sicherheitssystemen steht dem, was Business-Limousinen ihren Insassen bieten, kaum nach. Je nach Bedürfnis und Geldbörse können ein Front-Assist-System, City-Notbremsfunktion, Multikollisionsbremse, adaptiver Tempomat, Fernlichtautomatik, Frontscheibenheizung, Müdigkeitswarner, LED-Hauptscheinwerfer und Rückleuchten, Rear Assist, Bergabfahrassistent und/oder Gespannstabilisierung an Bord geholt werden.
Zu dem wenigen, was der T6 nicht bieten kann, gehören alternative Antriebe. Da nicht zu erwarten ist, dass der neue Bulli auf zwölf Jahre Laufzeit wie sein Vorgänger kommt, bleiben Erdgas- und Elektroantrieb dem T7 vorbehalten. An dem wird schon eifrig geplant und gebaut, laut Rothenpieler „mit Vollgas“.
afb/amp